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Zusammenstoss der Kulturen

Eine Gruppe Overlander geht zusammen essen. Man kennt sich nicht so gut, hat sich auf dem Zeltplatz getroffen. Doch alle haben sie gemeinsam, dass sie durch dieselben Länder gereist sind und ähnliche Erlebnisse gemacht haben. Alle können Geschichten von grosser Gastfreundschaft erzählen.

Nach dem Essen kommt die Rechnung. 280 pakistanische Rupien für 6 Personen. Rund 3 Franken, circa 50 Rappen pro Person. Während die einen beginnen zu rechnen wer genau wieviel zu bezahlen hat, lege ich einfach einen 100-Rupien-Schein auf den Teller. Die Lockerheit setzt sich nicht durch, die Erbsenzähler zählen weiter und einer stellt klar, dass er mir noch 25 Rupien schuldet.

Rückblende in die Türkei

Für einen Türken ist es nicht nur selbstverständlich, es ist Pflicht und Ehre seinen Gast vollständig zu umsorgen. Geht man gemeinsam essen kann man zwar versuchen zu bezahlen, aber man sollte nicht hoffen, dass es dann auch klappt. Brüder die gemeinsam essen gehen streiten sich darum wer bezahlen darf, ein liebevolles Ritual. Als Reisender kommt man regelmässig in Genuss dieser Gastfreundschaft. Ich habe nur die wenigsten meiner Tees selber bezahlt. Und wie oft ich zum essen eingeladen wurde, kann ich auch nicht zählen. Da wirkt es beschämend wie abweisend die Einwanderer bei uns manchmal behandelt werden.

In Europa zahlt man getrennt. Ein Ausdruck von Individualität, Selbständigkeit und dem Wunsch möglichst wenig Verpflichtungen zu haben. Füreinander zu zahlen ist Ausdruck einer freundschaftlichen Verpflichtung die für Europäer einengend wirkt. Einengend wirkt es aber nur wenn man immer nachzählt. Verbunden mit Grosszügigkeit ist es befreiend. Und von diesen Grosszügigkeit habe ich hoffentlich etwas gelernt auf meiner Reise. Umso krasser wirkte es auf mich, dass andere da gar nichts gelernt haben.

Ich konnte meinen Bekannten dann zum Glück davon überzeugen, die 25 Rupien zu behalten, sie als Gastfreundschaft zu betrachten und doch ein andermal irgendjemanden einzuladen. Hoffentlich hat er etwas gelernt.

 

Osttürkei

Der Osten der Türkei (die kurdischen Gebiete) war anders. Aber nicht so fest wie ich erwartet habe. Etwas ärmlicher, teilweise etwas konservativer. Speziell in Urfa wo man auch einen interessanten Mix von Menschen beobachten konnte: Türken, viele Kurden (mit violetten Kopftüchern) und Araber.

Kurden in Sanliurfa

Von Urfa bin ich weiter nach Osten gefahren und es war einfach zu heiss. Deshalb (und besonders aus Zeitgründen) habe ich zu grossen Stücken den Bus genommen – oder (mit dem Velo und allem Gepäck!) Autos gestoppt – klappt besser als man denkt. Das hat sich gelohnt. Der Vansee liegt auf 1600 Metern und in Van war es etwas kühler. Nach etwas Erholung fuhr ich dann in 3 Tagen zur iranischen Grenze – es waren nochmals 3 wunderbare Tage. Die Route dem See entlang war wunderschön, ich wurde sogar zweimal von Kurden zum Picknick eingeladen. Es ging stetig aufwärts und es hatte Gegenwind, aber das war mir egal, ich konnte wieder fahren! Nicht mehr krank, nicht mehr zu heiss. In den Dörfern hatte es unglaublich viele Kinder die “Hello, hello” (mit diesem ganz grässlichen, touristischen Akzent) und dann “money, money” riefen. Es wurde nerviger als das Gehupe.

Nach zwei Tagen fahren kämpfte ich mich dann den Pass hoch, 2644 Meter! Es waren nur noch 10 Grad Celsius. Im Dorf in dem ich übernachtete waren es 15 Grad im Haus… Danach wurde ich mit einer wunderschönen Abfahrt mit Ausblick auf den Ararat belohnt.

Ararat mit Dorf

In Dogubayazit wollte ich nicht allzu lange verweilen. Nur kurz E-Mails checken. Aber ich hatte nicht erwartet wie so ein Grenzort ist. Die meisten Reisenden in den und vom Iran kommen hier durch und auch die Grenze von Aserbaycan und Georgien sind nahe…

In meiner Mailbox war eine Nachricht von einem holländischen Pärchen auf dem Fahrrad, sie seine gerade in Dogubayazit. Abgeschickt vor einer halben Stunde! Ich schrieb gleich so schnell wie möglich zurück, fragte nur kurz ob sie noch online seien, es klappte und wir vereinbarten ein Treffen. Auf dem Weg dorthin traf ich noch ein Zürcher Pärchen auf Fahrrädern an, sie konnten allerdings wegen ihrem Visum erst 2 Tage später weiterreisen.

Group of Cyclists

Mit Chris & Larissa (die Holländer) bin ich nun seit 3 Tagen unterwegs und wir verstehen uns sehr gut. Nachdem wir ihre Geldprobleme gelöst haben (man muss alles Geld in bar in den Iran mitnehmen!) fuhren wir zur Grenze. Auf dem Weg dorthin trafen wir auf eine Pilgergruppe aus Kasachstan, alle in Weiss, sie liefen in 6 Monaten nach Mekka. Das waren total fröhliche Leute.

Pilger aus Kasachstan

Dann kamen uns noch 2 Polen entgegen (auch auf dem Fahrrad), sie haben das Land in Shorts betreten und verlassen! Die sturen Kleiderregeln scheinen also für männliche Velofahrer nicht zu gelten. Da habe ich doch glatt ein Hemd umsonst gekauft!

 

Littering und andere Gewohnheiten

Etwas das ich auf dieser Reise immer wieder feststellen konnte, ist wie fest sich der Mensch an Dinge gewöhnt. Plötzlich beobachtet man an sich selber Reaktionen die man bis vor kurzem noch nicht kannte.

In Rumänien und in der Türkei hat es regelmässig Abfall am Strassenrand. In der Türkei sehe ich immer wieder Autofahrer die ihren Abfall einfach zu Fenster rausschmeissen, ich sah sogar mal einen der Dutzende politischer Flyer rauswarf – und das auf der Überlandstrasse! Ich habe mir vorgenommen keine neuen anzufangen, aber wenn schon viel Abfall rumliegt, dann geniere ich mich auch nicht meinen dazuzulegen.
Am Anfang schockiert einem das Verhältnis das Menschen an anderen Orten zu ihrer Umwelt haben. Aber eben: man gewöhnt sich dran. Eines Tages setze ich mich an den Strassenrand um ein Joghurt zu essen und als ich fertig bin, schiesst mir der Gedanke durch den Kopf: Mist, hier hat es ja gar keinen Abfallhaufen!

Abfallhaufen am Wegrand

Ähnlich ist es mir mit den Toiletten ergangen. In der Türkei ist das Stehklo der Standard. Ich habe mich schnell daran gewöhnt – auch wenn ich bin mir nicht gewöhnt bin so lange in der Hocke zu sein. Es ist ja an sich ja hygienischer als unsere WC’s da man mit nichts in Berührung kommt was schon der Vorgänger berührt hat. Aber es ist wie mit allem: Es gibt saubere und dreckige Toiletten. Eines Tages komme ich an eine Tankstelle und finde ein westliches Klo vor. Allerdings mit einigen unschönen Tropfen drauf. Gerade die Menge die man bei uns (nachdem man sich vergewissert hat, dass die anderen Klos auch nicht besser sind) mit etwas Toilettenpapier wegwischt und drüber hinwegsieht. Mein einziger Gedanke in dem Moment war: Wo ist hier das türkische Klo?

Die Toilette im Hamam, alles Marmor :-) Ein schönes Exemplar – aus Marmor, in einem Hamam gesehen.

Es gibt aber auch schöne Gewohnheiten. Ich beobachte mich selber dabei wie es das natürlichste der Welt geworden ist meine Zeigefinger der Länge nach aneinanderzureiben wenn zwei Dinge über die ich rede sich nahe stehen. Ist doch was tolles, wenn man wie ein Einheimischer gestikuliert?!

 

Zeit für ein Update

Ich bin gerade in Urfa. Etwas krank, aber bei einem tollen Ehepaar zu Gast, hier kann ich mich ein paar Tage gut erholen.

Ich habe das erste Mal ein Stück Weg mit Zug und Bus zurückgelegt. Zum einen weil es sich krank nicht so gut Velo fährt und zum anderen aus Zeitgründen: mein Visum für den Iran ist ab dem 24.Juli gültig. Ein bisschen später einreisen macht ja nichts, ich habe ja ein 3-Monate-Visum, aber viel später, das wäre dann doch schade. Schade ist auch, dass die iranische Botschaft solche Machtspiele nötig hat, ich bin nicht der einzige dessen Visum willkürlich auf ein früheres Datum ausgestellt wurde.
Irgendwie fühlt es sich komisch an eine Veloreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu unterbrechen. Man kriegt den Wechsel der Landschaft nicht mehr auf die gleiche Art mit. Aber es ist rundet die Erfahrung eines Landes auch ab. In türkischen Zügen werden die Sitzplätze offenbar mehrfach verkauft und so sass ich in einem Sechserabteil mit 8 Leuten. Es hatte 1,2 fliegende Händler im Zug, jetzt verstehe ich die Leute die sich von der Türkei an Asien erinnert fühlen. Der Zug ist klar das billigere Transportmittel, entsprechend bekommt man auch mehr Eindrücke. Dafür ist er auch ziemlich langsam und unpünktlich. Im Fahrplan stand er fahre um 4, er fuhr dann um halb 6. Das Busnetz der Türkei hingegen ist bekannt für seine Qualität. Es werden sogar Snacks gereicht.

Ich bin nun auch schon in der Nacht gefahren. Wenn die Strasse gut ist, geht es ohne Probleme. Es ist wirklich wunderbar wenn es plötzlich kühl ist, man eine Brise spürt und dabei auch noch gut vorwärtskommt. Ich bin allerdings nie länger als bis um 12 gefahren.

Ich war auf dem Berg Nemrut. Das war eindrücklich. Und anstrengend. Die Strasse ist einfach nur steil, ich habe mehr als Tausend Höhenmeter an einem Tag gemacht. Das meiste stossend. Dafür wurde ich am nächsten Morgen mit einem prächtigen Sonnenaufgang belohnt (der schönste der Türkei heisst es).

Inzwischen bin ich in der Osttürkei. Viele kurdische Dörfer und hier in Urfa gibt es auch arabische Minderheiten. Die Unterschiede wirken auf den ersten Eindruck eher fein, aber sie sind vorhanden. Die Dörfer wirkten ärmlicher als im Westen, das Essen ist billiger. Dreimal hatte ich Kinder die mir “money, money” nachgerufen haben. Ich habe dann aber herausgefunden, dass es weniger darum geht unbedingt Geld von dem Fremden zu bekommen, sondern dass sie vielmehr gar nicht wissen was sie tun. Bei der ersten Kinderschar habe ich gleich selber die Hand hingehalten und dann eine Frucht bekommen. … Ok, ihr wisst einfach nicht was ihr tut, oder? Beim nächsten Mal habe ich mich in meinem Wörterbuch schlau gemacht und das Kind gefragt wieso es bettelt. Es ist beschämt weggelaufen. Scheinbar war es eine neue Erkenntnis für ihn als Bettler betrachtet zu werden.

PS: Ich habe auch mal wieder ein paar Fotos hochgeladen. Schaut sie euch an.

 

And then, I got lucky

Last Saturday, I was cycling the whole morning without seeing a village. Cycling up a hill and down again and up the next one. The last one was really tough, it took me a long time to master it. Most of the time I was not cycling because the road was too steep. Sometimes a truck would overtake me in first gear making these funny noises of an old vehicle in first gear, but most of the time I was alone, wood around me and heat. Because of the forest I had no clou how long it would take me until I am on the top or in a village, you always see only the next turn, you master it just to see the next one that is even more steep. Not very good for my motivation. So after hours I was really happy to see that minaret at the horizon that told me that there are humans, a village, fresh water and, no matter how small the village: çay!

It was noon and I sat myself in the çay evi (tea house). The men there were nice, interested in me but not intrusively. After twenty minutes or so and some çays, they asked if I am hungry. I said only a little. After some minutes they asked again, same answer, but this time they wanted me to follow them. Curious about what will happen I did so. Behind some houses there was a small place in the village where they had put up some benches and tables and ate a meal prepared for the whole village! They made me sit down and brought me a plateau full of food. It was an interesting site. In the tea house, you only see the men; there in the heart of the village where women, kids, a table full of old men and one with the young ones. After eating and thanking them I went back to the tea house, had some talk and then started reading a book.

Not for long. Zafer, a young student with a good English approached me and told me he is interested in me. We spoke for a while and he told me I have to stay, there will be a wedding in the village this evening. How could I say no to such an opportunity?

We went to his parents house where I stayed two nights. It was pretty traditional, we ate on the floor, his mother in the kitchen. But there was also a glance of modernity like we had seperated plates, they had a car and a washing machine. A lot of people in this village still have donkeys and once I saw a lady handwashing clothes at a well, with cold water!

I did not really work out how a Turkish wedding works normally, as it was a bit unusual due to the groom coming from another place and the couple was not there Saturday night which they would have been normally. So, Saturday night there  was a musician and dancing, all the young men, later on the other side of the place also the young women. I got invited soon and tried some Turkish dancing, it was fun. Normally the couple would also dance together at this evening. For me the most curious thing was how the scene was set up. There was the tea house where all the men were sitting on the porch and where the musician was located. There was a lot of space for dancing and of the other side of the place where benches for the women and kids. The next day some important people from the village went to pick up the couple, everybody was waiting for them to come back, they arrived, village kids trying to hinder them to arrive, candy for everybody, a short prayer by the Imam and it was over. A short thing especially if you take all the waiting into account. Sunday evening after the last prayer of the day all the men went together to the house of the brides family, the were singing, accompanying the groom. Candy again, a shot from a gun, and they went to have their official first night together.

My friend told me that the house will be watched during the night. Why? If the girl had something with another guy before, he would not like that she gets married and throw a stone in the couples window. And then everybody would talk. People in the village don’t want her reputation to be befouled, so they watch the house. Later that night we were passing by the house in some distance, I did not see any guards and told my friend. They are camouflaged!

 

Rauf und runter

Gestern bin ich in Ankara angekommen. Oben auf dem letzten Pass konnte ich meinen 4000. Kilometer fahren. Juhu!

Aber von vorne: Wer sagt, Istanbul sei auf Hügeln gebaut, lügt. Das ganze grosse weite Land ist eine einzige Ansammlung von Hügeln! Als Gott den Hügel erfand, probierte er seine Erfindung an der Türkei aus. Es geht immer nur rauf und runter. Rauf und rauf und rauf. Und runter.

Und wieder rauf.

Der kluge Velofahrer fährt der Küste entlang, weil es dort nicht nur schön, sondern auch flach ist. Nicht so in der Türkei! Es ist zwar schön, aber die Küstenstrassen … gehen rauf und runter. Das war schon auf dem Stück von Edirne nach Istanbul so. Aber auch die Strecke von Yalova nach Bursa (die ich der Küste entlang fuhr) ging nur rauf und runter. Es war sehr schön, aber auch anstrengend. Die Gegend scheint auch bei türkischen Touristen beliebt zu sein, also übernachtete ich einmal auf dem Zeltplatz und das zweite Mal auf einem Picknickplatz (der von einer Familie betreut wird, mit der ich den Preis von 10 Lira auf die 5 Lira die ich auch auf dem Zelplatz bezahlt habe runterhandelte). Dann kam nochmals eine richtig steile Strasse bis ich dann in Bursa war. Eine schöne Stadt in einem Talkessel. Dort blieb ich ein paar Tage. Danach wieder rauf. Und runter. Und rauf und runter. Und das alles bei hohen Temperaturen.

Ich fahre, wenn es geht, früh los, um 6 oder 7 und nutze den frischen Morgen bei 19, 20 Grad. Es wird dann bald wärmer und ab 12, 1 steigt die Temperatur auf über 30 Grad und es ist nicht mehr gut zu fahren, zumindest nicht aufwärts. Ich mache Siesta, in einem Teehaus oder unter einem Baum. Treffe Leute oder lese. Und dann gehts etwa um 5 wieder los. Das schlimme ist nicht die Temperatur an sich (wenn sie dann über 35 Grad klettert natürlich schon), sondern die Sonneneinstrahlung. Ich schwitze viel und trinke viel Ayran und Wasser. Und frage mich ein bisschen wie ich das die nächsten Monate machen werde.

Die letzten Tage waren also sehr anstrengend. Ich fühlte mich nicht fit als ich in Bursa ankam, aber ich fühlte mich auch nicht sehr fit als ich in Bursa abfuhr. Vielleicht nur die Hitze, vielleicht die allgemeine Anstrengung. Ich hoffe sehr, dass mir die paar velofreien Tage in Ankara guttun werden und ich danach mit frischer Energie weiterfahren kann.

 

Eindrücke aus Istanbul

Aya Sofya

  • Das Nebeneinander von Traditionell und Modern ist ergreifend. Schlicht und einfach faszinierend.
  • Es hat unglaublich viel Polizei.
  • Für eine Stadt mit so vielen Touristen schien sie mir auf den ersten Eindruck schlecht vorbereitet. Die erste in der (neuen!) Tourikarte eingezeichnete Touriinfo gabs nicht mehr und in der zweiten gabs weder Broschüren noch Karten und nur “little English”. Überhaupt, Englisch konnte man selten einsetzen. (Da ist Bursa ganz anders, gleich die ersten zwei Kellner mit denen ich zu tun hatte sprachen fliessen Englisch. Vielleicht gibt es hier einfach nur mehr gut ausgebildete Arbeitslose?) Als ich ein bisschen später auf dem Trottoir stehen bleibe um meine Karte zu konsultieren werde ich weggepfiffen. Ein Armeegelände mitten in der Stadt vor dem man nicht stehenbleiben darf. Als ich dann ein paar Schritte nach dem Gelände stehenbleibe kommt der Typ in grün wieder – gastfreundlich stelle ich mir anders vor…
  • Es ist faszinierend wie fest hier jeder sein Glück versucht. Jeder versucht etwas zu verkaufen, macht irgendeine kleine Arbeit. Gebettelt wurde praktisch nicht, oder dann von echten Krüppeln die die paar Münzen in ihren Bechern sicher auch wirklich gebrauchen konnten. Vielleicht liegts auch nur an der vielen Polizei? Vielleicht nur die kurze Sicht eines Touris? Auch wenn sie nicht zu beneiden sind, all die Schuhputzer, Maiskolben-, Simit-, Muscheln- (yamih! Lecker!), Parfüm- oder Sonstwas-verkäufer geben ein faszinierendes Bild ab und sind für ihre harte Arbeit zu bewundern.

Lecker! - auch für Meeresfrüchte-Nicht-LiebhaberMaiskolbenverkäufer, die stehen überall

  • Ein paar Minuten in der Yeni Cami (gleich bei der ersten Brücke) meditieren fand ich viel eindrücklicher als die Blaue Moschee und die Aya Sofya zusammen. All die feinen Verzierungen sind wunderschön und der Ort wirkt viel heiliger ohne die Tourimassen.
  • In einem Touriführer über Marokko stand man solle auf dem Bazaar mehrere Händler nach dem Preis fragen um einen Überblick über die Preise zu bekommen. Das ist totaler Blödsinn. Erkundigt man sich in Marrakesh nach dem Preis ist das ein Angebot zu Verhandlungen. In Istanbul dagegen geht das. Und macht auch wirklich Sinn. Es kann sogar sein, dass etwas im grossen Bazaar (der als touristisch gilt) billiger ist als in der Istiklal Caddesi. Die Istiklal ist sowieso hinterhältig: Sie gibt sich also die moderne Strasse mit all den grossen Marken aus, man bekommt das Gefühl die Preise seien fix was sie auch meistens sind, aber man kann plötzlich vor überzogenen und verhandelbaren Preisen stehen.
  • Wie die Ware angepriesen wird erzwingt immer wieder ein Lachen. All die Kellner die “Yes, please?” sagen wenn man an ihnen vorbeiläuft vielleicht nicht unbedingt, aber der Shop mit dem Schild: “This shop is recommend by Barak Obama” schon. Der Kellner der 5x hintereinander in unbestimmte Richtung Hello ruft auch: “Hello, hello, hello, hello, hello”. Hauptsache Aufmerksamkeit, Sinn muss es keinen machen. “We have everything you need” als Einladung in ein Restaurant ist auch ganz toll, “we are cheaper than the others” war ein Highlight und dann war da noch “Grüss Gott”.
  • Ich liebe türkisches Essen. Alles. Mit einer Ausnahme: Türkisches Eis. Es schmeckt wie Kaugummi. Und hat auch eine ebensolche Konsistenz. Deshalb kann es der Eismann auch am Stück aus dem Kühlfach ziehen und in der Luft rumschleudern. The show must go on…

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  • Ich habe das Schwarze Meer gesehen! Die Bosporusrundfahrt ist auch sonst empfehlenswert und angenehm.

Black sea, I see you!

 

Haarsache

Hast du dich schon mal gefragt wie ich nach zwei Monaten Velo fahren aussehe?

Hier ist die Antwort:

Zwei Haarschnitte

Natürlich verbinde ich auch mit diesem Bild Geschichten: Der Haarschnitt ist bulgarisch, die Rasur türkisch. Ich habe ziemlich dichtes und dickes Haar, das fahren mit Pelz wurde in Bulgarien immer mehr zu einer heissen Angelegenheit. In einem Restaurant in einer Kleinstadt frage ich die Serviererin wo man sich hier die Haare schneiden lassen könne. Mit zwei Brocken Englisch (mehr waren es sicher nicht!) machte mir ihre Kollegin klar, dass ich die Strasse runter müsse und dann links. Ich sah dort natürlich keinen Coiffeur. Also fragte ich gleich nochmals jemanden. Irgendwann lernt man sich von Strassenecke zu Strassenecke mit Fragen durchzuhangeln bis man das gesuchte gefunden hat. Man deutete über die Strasse wo ich dieses Schaufenster sah:

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Zum Glück wurde in dem schmalen Raum gerade einem jungen Mann der Kopf geschoren, sonst hätte ich wohl noch lange nicht gemerkt, dass die hellblaue Schrift mein Ziel bezeichnete. Als nächstes musste ich herausfinden wie ich reinkomme – die Türe auf dem Foto führt nur in den Laden nebenan. Die Coiffeuse deutete mit dem Arm nach rechts wo ich einen Hauseingang fand, ich nahm mein Velo einfach mit rein – durch einen dunklen Gang und da war was ich suchte. Sogar mit Stuhl zum warten und Zeitschriften. Der junge Mann war schon fast fertig frisiert, ich fragte ihn noch ob er englisch könne und ob er der Dame mittleren Alters vielleicht sagen können, dass ich denselben Schnitt wie er wünsche. Er konnte. Zum Glück!

Meine Haare wurden nicht gewaschen, was ich empfohlen hätte, nach einigen Tagen draussen übernachten waren sie ziemlich fettig. Aber der Haarschneider war kräftig und die Schere gut geschliefen. Und ich war wirklich zufrieden mit dem Haarschnitt! Erstaunlich wie gut es ohne Worte geht! Kostete mich 4 Leva = 3 Schweizer Franken!

In Istanbul gings dann wegen meinem Bart zum Friseur. Ich wollte mich schon immer mal rasieren lassen und es nahm mich wunder wie das hier gemacht wird. Einschaumen, rasieren und dann gings erst richtig los :-) Ich weiss nicht ob es zwei oder drei After-Shave-Cremen waren die ich ins Gesicht geschmiert bekam, die paar eigenwilligen Haare im Nacken kamen auch weg und als der Coiffeur ein paar feine Haare in meinem Ohr sah, nahm er das Feuerzeug hervor, schwenkte es schnell vor meinem Ohr bis die Haare weg waren. So geht das!

 

Nicht alles im Leben macht Sinn

Über das türkische Hupverhalten

Ich habe gelernt verschieden Sorten Hupen zu unterscheiden. Das fantasievolle mehrfache Hupen das ein Gruss ist, kommt häufig von der gegenüberliegenden Fahrbahn. Das kurze knappe Hupen sagt “Ich fahre an dir vorbei”, das tiefere Hupen sagt mir: “Ich fahre an der vorbei und ich bin breit.” Wenn das tiefe Hupen dann noch ein nicht ganz so kurzes ist, dann ist mir klar: Ich muss aus dem Weg. Im grossen Ganzen funktioniert der Verkehr mit Hupen also wunderbar. Aber es zerrt unglaublich an den Nerven. Es mag ja Sinn machen, dem Autofahrer vor einem mitzuteilen das man ihn in den nächsten Sekunden überholt. (Er könnte ja spontan auf die Überholspur wechseln. Das erklärt allerdings nicht wieso man stattdessen nicht einfach die Rückspiegel braucht). Nur was für Autofahrer Sinn macht muss für Fahrräder noch lange keinen Sinn machen. Habt ihr wirklich das Gefühl ich würde spontan in die Mitte der Strasse fahren? Dann gibt es noch die Arschlöcher die hupen wenn sie genau neben mir sind. Was aus keinem Blickwinkel Sinn macht und einfach nur verdammt laut ist. Ich nenne diese Autofahrer ungerne Arschlöcher, aber es bringt auf den Punkt was ich jeweils fühle. Türken sind wunderbare, sehr gastfreundliche und nette Menschen. Türken in Autos sind nicht nett. Ich begreife nicht wieso gehupt wird wenn es dafür ab-so-lut keinen Grund gibt. Und ich muss lernen mit dieser Irrationalität zu leben. Sie ist ein Teil meines momentanen Lebens, ich kann sie nicht ändern und sie wird noch grösser werden je weiter ich gen Osten fahre. Es macht nun mal nicht alles im Leben Sinn…

 

Notizen von unterwegs

Rhythmus und Essen

Am Anfang der Reise bin ich ziemlich so gefahren wie man zuhause arbeitet. Drei Mahlzeiten und dazwischen Snacks. Meistens 5-7 Stunden pro Tag auf dem Fahrrad.  Im letzten Monat bin ich immer mehr zu vielen kleinen Mahlzeiten übergegangen, so kann ich nach dem Essen gleich weiterfahren und bei der Hitze mag man auch gar nicht mehr essen. Dazu kommt, dass es immer mehr nötig wird Siesta zu machen. Wenn die Sonne bei 30° voll vom Himmel brennt, dann sollte man keine Berge mehr hochfahren. Gerade hier in der Türkei ist das eine fantastische Möglichkeit um sich etwas Zeit zu nehmen, in ein Teehaus zu sitzen und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Mein Fahrrad lenkt oft genug Aufmerksamkeit auf sich, es wird gefragt woher ich komme und bald ist auch jemand gefunden der Deutsch spricht und mir von seiner Zeit in Deutschland erzählt. Aber meistens war ich bisher in kleinen Cafes und dann geht die Diskussion nach den ersten paar Fragen (die ich mit meinen paar Brocken Türkisch meistere) mit dem Dix weiter, was ziemlich amüsant ist.

Ich liebe das Essen hier. Kebap. Ayran. Bürek. Usw. Aus irgendeinem Grund gibt mir ein Joghurt bzw. Ayran mehr Energie als ein Schokoriegel. Weiss irgendjemand wieso das so ist?

Reisewarnungen

Überall warnt man mich vor dem nächsten Ort. Die Türken warnen vor dem Iran, die Griechen vor den Türken usw. usf. Der Höhepunkt war die private Zimmervermieterin in einem österreichischen Dorf die mich vor Linz warnte. “Dort werden Fahrräder gestohlen.” Nun ja. es mag in all diesen Warnungen ein wahrer Kern sein, sie sind sicher auch gut gemeint. Aber sie nerven mich. Jeder will mir sagen, dass es nur bei ihm zuhause gut ist und sonstwo nicht. Hey, kommt mal raus aus euren Schneckenhäusern, die Welt ist nicht so schlecht. Wer sie sich mit Offenheit und Optimismus anschaut, trifft auf soviel Gutes und auf soviele liebe Menschen.

Ansichtssache

Optimist: Für jedes Mal hochfahren geht es auch wieder runter.
Pessimist: Für jedes Mal runterfahren geht es auch wieder rauf.
Realist: Wenn es keine Steigung hat, dann hat es Gegenwind.

Verrückt?

Man kann sich fragen wer verrückter ist: Die Menschen die zuhause bleiben oder die die eine solche Reise machen wie ich. Nun habe ich gelernt, dass man die wirklich verrückten Menschen in Hostels antrifft. Wo sie z.B. in der Gestalt von verrückten Wissenschaftler auftreten, die einem zutexten, die feinen Zeichen, dass man genug hat nicht bemerken und einem als Matrose auf einem Piratenschiff das Walfänger versenkt anheuern wollen…

Reisepläne

Nach zehn Tagen Istanbul, die ich sehr genossen habe (eine Woche davon mit Madlen :-) )  geht es nun bald weiter. Ich wäre eigentlich sehr gerne mit dem Fahrrad nach Asien gefahren. Aber leider sind die zwei Brücken die über den Bosporus führen nur für den Autoverkehr geöffnet. Natürlich könnte man es trotzdem versuchen, aber ich habe mir das angeschaut, als ich mit dem Bus da rüber fuhr. Und überhaupt, was wäre der Sinn? Also nehme ich die Fähre aus Istanbul raus bis nach Yalova und fahre von dort nach Bursa, das man unbedingt gesehen haben soll. Ich freue mich darauf wenns wieder losgeht. Ab zur zweiten Etappe meiner Reise. Es ist wunderbar länger im selben Land zu sein, mehr Zeit zu haben für eine Kultur und ihre Facetten.