Artikel die aus meiner Veloreise entstanden

Nachdem ich viele meiner Erfahrungen auf dieser Seite zusammengefasst habe, hatte ich zuhause auch die Möglichkeit für mehrere Zeitschriften über Themen meiner Reise zu schreiben.

Für das deutsche Magazin Weiss auf Schwarz:

In der aktuellen Ausgabe des Schweizer Magazins Black Paper bin ich mit einem Artikel über Mumbai vertreten.

Ausserdem schrieb ich drei Artikel für das pakistanische Magazin Life with World Call. Diese sind leider ebenfalls nicht online verfügbar.

 

Zusammenstoss der Kulturen

Eine Gruppe Overlander geht zusammen essen. Man kennt sich nicht so gut, hat sich auf dem Zeltplatz getroffen. Doch alle haben sie gemeinsam, dass sie durch dieselben Länder gereist sind und ähnliche Erlebnisse gemacht haben. Alle können Geschichten von grosser Gastfreundschaft erzählen.

Nach dem Essen kommt die Rechnung. 280 pakistanische Rupien für 6 Personen. Rund 3 Franken, circa 50 Rappen pro Person. Während die einen beginnen zu rechnen wer genau wieviel zu bezahlen hat, lege ich einfach einen 100-Rupien-Schein auf den Teller. Die Lockerheit setzt sich nicht durch, die Erbsenzähler zählen weiter und einer stellt klar, dass er mir noch 25 Rupien schuldet.

Rückblende in die Türkei

Für einen Türken ist es nicht nur selbstverständlich, es ist Pflicht und Ehre seinen Gast vollständig zu umsorgen. Geht man gemeinsam essen kann man zwar versuchen zu bezahlen, aber man sollte nicht hoffen, dass es dann auch klappt. Brüder die gemeinsam essen gehen streiten sich darum wer bezahlen darf, ein liebevolles Ritual. Als Reisender kommt man regelmässig in Genuss dieser Gastfreundschaft. Ich habe nur die wenigsten meiner Tees selber bezahlt. Und wie oft ich zum essen eingeladen wurde, kann ich auch nicht zählen. Da wirkt es beschämend wie abweisend die Einwanderer bei uns manchmal behandelt werden.

In Europa zahlt man getrennt. Ein Ausdruck von Individualität, Selbständigkeit und dem Wunsch möglichst wenig Verpflichtungen zu haben. Füreinander zu zahlen ist Ausdruck einer freundschaftlichen Verpflichtung die für Europäer einengend wirkt. Einengend wirkt es aber nur wenn man immer nachzählt. Verbunden mit Grosszügigkeit ist es befreiend. Und von diesen Grosszügigkeit habe ich hoffentlich etwas gelernt auf meiner Reise. Umso krasser wirkte es auf mich, dass andere da gar nichts gelernt haben.

Ich konnte meinen Bekannten dann zum Glück davon überzeugen, die 25 Rupien zu behalten, sie als Gastfreundschaft zu betrachten und doch ein andermal irgendjemanden einzuladen. Hoffentlich hat er etwas gelernt.

 

Quotes from a guidebook

In 2001 there was a Lonely Planet book published, called “From Istanbul to Kathmandu”, featuring the ‘classic’ overland routes from Europe to India. It is out of date and not published any more, but anyways, I met someone travelling with it and found these nice quotes and this drawing:

It’s a long way from Istanbul to Kathmandu – over 10′000 km – but it’s a surprisingly easy journey.
page 12

The Iranian people are pathologically hospitable.
page 50

LP where is your bike

 

Ist das nicht gefährlich in Pakistan?

Nein, es ist nicht gefährlich.

Wenn ich das sage glaubt ihr mir natürlich nicht. Das klingt nach einer Verniedlichung und ihr werdet weiter an eurem Vorurteil festhalten: In Pakistan ist es gefährlich. Und das stimmt. Es ist gefährlich dort! Während man in Pakistan ist, könnte man mit dem Flugzeug abstürzen, einen Herzinfarkt haben, in einen Verkehrsunfall verwickelt werden oder einem Bombenanschlag zum Opfer fallen. Alles Risiken die auch das Leben in Europa mit sich bringt.

Aber es ist doch gefährlicher als hier.

Genau. Ein bisschen. Doch gerne vergisst man wie viele europäische Touristen jedes Jahr nach Südostasien fliegen und dort ein grosses Verkehrsrisiko auf sich nehmen. Wir können dankbar sein, dass es bei uns so sicher ist. Doch die meisten von uns sind bereit ein etwas grösseres Risiko auf sich zu nehmen als das Risiko eines europäisches Durchschnittsalltags. Und das ist ok! Leben heisst erleben heisst Risiken auf sich nehmen!

Aber in Pakistan gibt es doch Bombenanschläge.

Ja, täglich sogar. Nur gibt es in dem Land auch 173 Millonen Menschen. Und in einem Bombenanschlag sterben 0-100 Menschen,selten mehr als ein Dutzend. Ich würde die Zahlen gerne mal mit der Zahl der Verkehrstoten vergleichen. Dazu kommt, dass praktisch alle Anschläge auf Staatsgebäude oder auf Polizeistationen abzielen. Die Chance als Tourist Opfer eines Attentats zu werden ist sehr klein. Ich schätze sie sogar kleiner ein, als die Chance von einem Lastwagen überfahren zu werden. Zugegeben, die Chancen addieren sich. Doch das Risiko, dass man mit einer Pakistanreise eingeht ist klein und es wird jedes Jahr von Dutzenden Touristen eingegangen die das Land auch wieder heil und um Erlebnisse reicher verlassen.
Interessant war ja, dass ich mich im Alltag in Pakistan sicher gefühlt habe. Ich bekam die Anschläge näher mit, las die Zeitung, redete mit den Einheimischen, fuhr an Orten vorbei wo Anschläge stattfanden. Doch die Chance, dass ich zur falschen Zeit am falschen Ort bin, war so klein, dass sie mich nicht mehr berührte.

Wenn Pakistan so sicher ist, wo ist es denn überhaupt noch wirklich unsicher?

In Kriegsgebieten, an Orten an denen offen gekämpft wird. Dort sollte man sich wirklich nicht aufhalten. Ausser als Kriegsjournalist vielleicht. Die überleben ihre Einsätze übrigens auch fast immer. Wieso das? Weil Kämpfe meistens nur in einigen Strassen und zu einigen Zeiten toben. Weil es auch in einer Stadt im Krieg oft sichere Quartiere gibt. Es gibt viele Mitarbeiter von Hilfsorganisationen die in Kabul, der Hauptstadt von Afghanistan, leben und überleben. Und man kann auch nach Afghanistan reisen.

Man muss nur seine Hausaufgaben machen. Man muss wissen wo man wann besser nicht hingeht. Und so war es auch in Pakistan. Ich war nicht im Swat-Tal und ich war nicht in Peshawar – der Grenzstadt zu Afghanistan in der es viele Anschläge gibt. Doch das Swat-Tal ist klein und Peshawar ist eine einzelne Stadt.
Ganz anders sieht es für die Einheimischen aus. Ich konnte jederzeit weiterreisen, sie mussten bleiben, hatten Häuser und Familie dort. Das schlimme ist nämlich nicht ein einzelner Anschlag, schlimm ist die wachsende Verunsicherung. Ich war zu einer Zeit in Islamabad in der sich die Zahl der Anschläge im Land von wöchentlich auf täglich steigerte. Die Armee ging agressiv gegen Militante vor und die gaben mit Anschlägen zurück. Universitäten und Schulen wurden bedroht und für ein bis zwei Wochen waren viele davon geschlossen. Plötzlich war der Schulalltag nicht mehr geregelt möglich. Die Kinder blieben zuhause was wiederum eine Umstellung für die Eltern mit sich brachte. Der Alltag begann zu bröckeln. Die Verunsicherung war gross. Wie geht es weiter, wie wird sich die Situation entwickeln? Inzwischen ist der Alltag wieder normalisiert, man geht trotz Drohungen und weiteren Anschlägen wieder zur Universität. Doch die Verunsicherung bleibt.

Dann soll ich also doch nicht nach Pakistan gehen?

Schau, es macht einen riesen Unterschied in welcher Rolle man in einem Land lebt. Wird deine Heimat unsicherer, dann beeinträchtigt das deine Lebensqualität direkt. Hat man Haus und Familie, ist es dein Heimatland, dann ist grösstmögliche Sicherheit wünschenswert. Bist du aber Reisender, Tourist, Besucher, dann hat die Unsicherheit nicht dieselben Auswirkungen auf dich. Pakistan ist ein sicheres Reiseland. Je nachdem wie du sicher definierst. Was bedeutet für dich Sicherheit?

 

How far can you go?

I was in Iran, I was in Pakistan. For many people, it is unthinkable to go there. Why? It is not safe they say.

What is safety? When are you safe? We normally don’t think about it, but honestly we know that we are never safe. Every second our heart could stop beating, every time we walk we could slip and fall and get injured deathly, every time we close the door of our house behind us is a moment we enter a dangerous world (as if there would be no danger inside the house as well). Some people are paralyzed because they are scared of life. Others step out into that world and enjoy the life that was given to them.

So you are scared of going to Iran and Pakistan while I recommend it. What can you do to overcome your fear? First, define what being safe means for you. Second, inform yourself.

What is safety?

You are never entirely safe. Live with it. Safety is always relative. You can express it in a chance to survive a certain situation, but you can never entirely guarantee it for anybody. So it is never about if something is secure or not, but about how secure it is. How unsecure is too much for you? Take some time and find your line. My personal line is the everyday traffic on the streets. Many people get killed every year by simple traffic accidents. And we live with it, it is a part of the risk we are willing to take as a society. Every day. And it is okay for me too. So I consider everything that is safer than street traffic totally safe for my life. And everything that is more insecure than traffic is worth a second thought. I don’t have a no-go line because I was never confronted with it. A German friend of mine who lived in Pakistan has one. She would quit her exchange semester and go home if there is open fighting on the street. Not before.

Maybe that line is totally unrelated to what you can think of. Let me show you the steps there. First, let us go to India (or any Asian country, for that matter): The traffic is crazy. It is dangerous – at least if we apply my line. But still, crowds of tourists go to India every year. For all of them it is okay to stretch the line to some more crazy traffic. So it is for me.

For a long time, the situation in Pakistan was like this: There were suicide attacks, but only rarely and always on government buildings (police stations, secret service offices etc.). Is that something to fear? Not really, unless you are a policeman or other government official. Otherwise the chance that it hits you is incredibly small. Way smaller than getting hit by a car.

This year, the frequency of the attacks increased. On the peak, there was a daily attack. Some on the market place in Peshawar (a city close to the border of Afghanistan), one on a sidebuilding of a mosque (killing a liberal cleric). That was during the time I visited the country and it was very interesting to see how it influenced people. Suddenly people did not feel so secure anymore. I could observe that feeling in expats who were discussing their security situation. Until this point they always found confidence in the fact that the attacks targeted the government and not them. Still, most of the bombs did. But suddenly the fear factor that a bomb could hit you everywhere everytime came into the game. Exactly what the obscure enemy wants. But everybody stayed. Nobody left the country in a rush. The news were big, the unease was growing, but the real danger was still small.

What the foreigners know is that they have to keep themselves informed. Because it could happend that the front moves. And you don’t want to have an open fight close to your city, not talking of one in front of your house. That would be a real reason to leave. But the chance that this would happen was small. Which brings us to the second point.

Inform yourself

Be honest. You don’t have a clou about Pakistan. You have seen some pictures on TV and Pakistan is always in the news and that gives you a bad feeling. So what you first have to do is learn to put what you see on TV in relation. You see the result of a bomb blast, you see a huge demonstration, you see streams of refugees, you see open fightings. Well, did you ever think about that this probably happened only in one street? And in the next street… Yeah, have you ever, ever thought about the street behind the one in the news? I tell you something: In the street behind, in the parallel street, there is everydays life ruling. Maybe not in a war zone, but for sure in Islamabad.

In Turkey, I saw news on TV, showing refugees within Pakistan and I got the feeling they are flooding all the country, making it impossible to move. I almost skipped Pakistan because of that. What a huge mistake that would have been. Because of that, I know how hard it is to put information into relation when you don’t have the opportunity to see behind the news. Well, at least, try it. Don’t let fear rule. Don’t be put of by a destination by poor information. Even if there is an open war going on in a country, chances are that it is travelable in big parts. Have you thought about how journalists get the news without being killed? They are mainly in the street behind…

So, which additional information made me going to Pakistan?

Or: why didn’t I got killed in Pakistan?

The country is huge. Have you ever had a look at it on a map? You know that India is vast, but in North-South direction, Pakistan is not that much smaller. On the TV screen it may look small and the point showing where is bomb blast was covers half the country, but take it into relations. All the places they don’t cover in the news are totally safe.

I avoided all the ‘most unsecure’ areas. The areas were the army is active, Peshawar – the city close to Afghanistan that faces regular bomb blasts on market places. In most of the places I went to, I felt totally safe.

There are even travellers going to Afghanistan. I even heard the rumour that some Japanese guy cycled through it half a year ago. There are travellers going to Iraq. You think this is suicidal? Not if you inform yourself well. Most visitors to Pakistan skip Peshawar for security reasons. Most visitors to Iraq stay in the north which is a safe part, ruled by a Kurdish government. It is all about good information and about where you draw your line.

 

Three weeks in Switzerland

When Indian people heard that I am from Switzerland, they often said: “best country in the world” or even worse “paradise”. I could only shrug, as I knew it is not heaven. But there is some truth in this description. I am from one of the most secure countries, from one of the richest countries and all that while it counts as one with very beautiful nature. So I never denied the descriptions. I could tell you here that Switzerland is really heaven or that it is not. Let’s skip that and go directly to my impressions after one year in the east.

My mother drove me home from the airport. The highway was empty, gray, concrete, pot-hole free. A smooth ride with no disruption. But also without anything to look at. There were no animals, no humans, nobody on a bike, bicycle or ox cars. And nobody at the side of the street making fire to keep himself warm.

Which would have been necessary. It was cold. Now it is 15 degree Celsius which counts as warm (spring is coming!), but two weeks ago it was snowing. I saw again how much the climate influences the people.

Everybody has a nice warm house. Or a nice warm appartment. It is just a necessity. You would freeze to death otherwise. That is probably also one reason for our social system. We have to offer housing to the poor, otherwise they die. It looks tough to us to see people sleeping on the street in India. But probably it would be the same here if it would be warm enough all year round.

Swiss people are on time. Everybody knows it. And it is still true. No wonder – who wants to wait in the cold?

Politness and privacy are valued high here. When you enter a local bus on the countryside you say hello when you enter. But for sure nothing more. You don’t start a chat with anyone. Not that it is forbidden. People just don’t know anymore how to do it. There are not many subjects anyway because it could become too private soon.

In India it happened often that someone approached me and we had a smalltalk like the following:
“What is your good name?” – “My name is David.”
“Which your country name?” – “I am from Switzerland.”
“Oh, Swisserland! What is your job?” – “I’m a Software Engineer.” (another ohhh)
“How much you earn?”

It is no problem to ask for the wage in India. I still smile when I think of doing that here. Even good friends don’t talk about their wage. Talking about talking about the wages is already critical. You can do it if you want. But the idea that a stranger asks you in the first little smalltalk how much you earn is so alien to us that I should do it once. And then make a picture of the shocked persons face.

I realized that I am still pretty Swiss. I did not change that much. People started to speak to me on the road in India, but I didn’t approach many people. Okay, it is more difficult when you don’t know how is speaking English and who does not understand a word, so you better rely on the ones approaching you, but still, it is not in my blood to start a smalltalk. I wonder if that privacy thing goes too far sometimes.

I did not have a cultural shock. I really expected one. But now, I am happy that I could just come home and did not have to readjust first. The only thing I felt was this little insecurity. Am I behaving right? Is my behaviour culturally appropriate? Should I behave a little different?

mountain view

The view from last weekend when I went for skiing

 

Eine Woche zuhause

Eine Woche zuhause. Der Stress, der Druck, man müsse etwas liefern. Niemand macht mir diesen Druck. Nicht die Gesellschaft, nicht Freunde, nicht die Familie. Nicht mal mein Bankkonto. Ich mache mir den Druck. Er kommt automatischerweise wenn man zuhause in der Schweiz ist. Wahrscheinlich ist es schon eine riesen Leistung wenn man ein kleines bisschen indische Gelassenheit in einen Schweizer Alltag hinübertransportieren kann.
Ein Stück weit ist es natürlich schon die Kultur. Oder der Anspruch den man hat, sich in der Kultur richtig zu verhalten. Man tut was man sagt. Und zwar schnell. Und wenn man sich verabredet ist man pünktlich. Plötzlich rennt man wieder auf den Bus. Ist auch kein Wunder, sonst friert dir der Arsch ab. Oder der deiner Verabredung. Auch nicht besser.
Überhaupt: man verabredet sich. Und das gilt. Einfach so ungefähr abmachen, es nicht schlimm finden wenn es doch nicht klappt, immer darauf vorbereitet sein, dass etwas unvorhergesehenes geschieht, das ist Indien. Wieviel davon geht auch hier?

 

Heimflug

Der Wecker klingelt. Sieben Uhr morgens, Mumbai. Ich wache in einer Zweizimmerwohnung auf in der 6 Menschen schlafen. Auf einer dünnen Matratze, über mir rattert der Ventilator, die Fensterrähmen haben keine Scheibe, nur ein dünner Vorhang trennt drinnen und draussen. Draussen hängt etwas Wäsche, schaut man am Tag runter zwischen die Mehrfamilienhäuser sieht man Abfall herumliegen. Vielleicht Kinder spielen oder Männer reden. Doch wir sind früh dran. Kein rausgucken, kein Frühstück sondern zum Flughafen.

Ein Taxi rufen, meinem Gastgeber nochmals Danke sagen. Vorbei an kleinen Shops, überall Menschen, Autos, Rikshas, Flyways, Düfte, mal gute würzige, mal urinale. Nackte Kinder, Slumgegenden, Leute die zur Arbeit gehen. Dem Taxifahrer sagen dass wir noch Lust auf einen letzten Chai hätten. Er fährt in eine Seitenstrasse, sucht einen Caywalla. Ich steige aus, jemand sagt: “Cay, 100 Rupees” und lacht mich an. Bei mir schlägt die Vorsichtsglocke, doch er macht nur einen Witz, lacht, zeigt mir wo ich Tee kriege. 2x 5 Rupees. Je 10 Rappen.

Am Flughafen will der Taxifahrer 400 Rupees. Ich zeige ihm, dass es 300 sind. Zum Glück ist er nicht die letzte indische Person die einen Eindruck bei mir hinterlässt. Der british airways-Schalter ist fast leer. Wir werden bald bedient und kommen uns wie blöde Touris vor als sich herausstellt, dass das Fahrradpaket nicht ca. 25 kg sondern 35 kg wiegt. Es war schon plastikumwickelt, wir schneiden es wieder auf, nehmen Dinge raus, füllen eine Fahrradtasche, wickeln meinen Rucksack und die Fahrradtasche zusammen, ein grosses Plastikpaket. Nach viel hin und her ist alles verpackt und im Gewichtslimit. Dazu gibts noch ein kleines Upgrade für uns beide. Die Schalterbeamten hinterlassen einen tollen Eindruck mit ihrer Gelassenheit und Hilfsbereitschaft. Der letzte Eindruck aus Indien.

Zwei Taschen, Ein Gepäckstück

Im Flughafen kosten zwei Samosas 54 Rs, draussen wären es 6-10! Der Immigration Officer fragt was ich in Pakistan gemacht habe und lächelt. Die Sicherheitschecks sind lückenhaft. Im Flugzeug bemerke ich, dass meine Halbliterwasserflasche immer noch im Handgepäck ist. Im Weiterflug von London nach Zürich werde ich bemerken, dass sie immer noch dort ist. Der Flughafen ist sauber, gross, luftig, unnatürlich, nicht mehr indisch. Der Duty-Free-Bereich ist voller Luxusgüter. Eine Kunstwelt. Vollklimatisiert. Sie kommt mir unnatürlich vor nach all den ungefilterten Eindrücken, all den ‘echten’ Erlebnissen.

Im Flugzeug lese ich einen Artikel über einen Soldaten der nach vier Jahren aus einem Gefangenenlager nach Hause kommt und dem seine Familie fremd ist. Dann sehe ich auf dem Schirm wie schnell wir fliegen.
Flugkarte
Pakistan ist überflogen, Iran, das Kaspische Meer. Dort bin ich der Küste entlang gefahren. Ich war bei Yazer. Ein wunderbarer Mensch. So gastfreundlich. Ein Freund. Alles zieht so schnell vorbei. Es kommen mir Tränen. Ich weiss nicht recht wieso.

In London gibt es Burger und Bier. Willkommen in Europa. Der Ort kommt mir trotzdem wie eine Lagerhalle voller Luxusgüter vor. Unnötig, unecht. Und der Steward im ersten Flug war ja so steif, britisch.

In Zürich kommt mir eine kühle Brise entgegen, schön. Im Tunnel begrüsst mich ein Heidi, dazu Alpenmusik, Schweiz Tourismus ist hier aktiv. Auf dem Klo trinke ich meinen ersten Schluck Hahnenwasser. Meine Familie. Wunderbar wieder bei ihnen zu sein. Im Parkhaus hat es einen Coop Pronto. Mein Bruder sieht meine Augen, gross und glänzend, er lädt mich ein. Erst bin ich überwältigt, dann weiss ich aber schnell was ich will. Ich kaufe ein Rivella. Dann noch ein Mangolassi und ein Joghurt. Dazu gibts viele Gewinnkarten. So was habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Jetzt werde ich auch wieder immer gefragt werden ob ich denn Cumulus- oder Superpunkte sammle. Shit.
Dann die Autobahn. Alles rollt perfekt. Kein Schlagloch, keine Unebenheit. Aber auch keine Stände, keine Menschen, kein Leben. Nur Beton.

Das Elternhaus fühlt sich nicht speziell an. Vertraut. Bekannt. Nicht neu. Nur die Platten glänzen unnatürlich. Ich bin mir wohl einen solchen Boden nicht mehr gewohnt. Ich habe einen Schock erwartet und da ist keiner. Nur vertrautes zuhause. Ist doch gut so. Das Essen tut gut. Fleisch, Käse, Brot. Ich erzähle die ersten Anektoden. Eine warme Dusche. Mh. Ich bin wieder zuhause.

 

Wenn der Magen rumort

Reisedurchfall. Diarrhea. Zu deutsch Diarrhö. Es trifft jeden mal der auf den Subkontinent reist. Ausnahmen haben ihre Kleinkindjahre in Bangladesch verbracht. Und auch die triffts mal.

Zur Vorbeugung empfiehlt sich eine schnelle Angewöhnung an die lokalen Bakterien, aber nur an die guten. Und wo findet man die haufenweise? Im lokalen Joghurt, das nicht wie zuhause steril verpackt im Supermarkt daher kommt, sondern an kleinen Ständen offen verkauft wird, es lagert in grossen, oben offenen Blechbehältern, obendrauf eine Rahmschicht, vergleichbar mit der Schicht auf gekochter Vollmilch, nur besser.

Dave drinking a Lassi

Also bestellen sie sich ein Lassi. Der Joghurtdrink den es jetzt auch im Coop gibt ist sehr schmackhaft, es gibt ihn süss oder salzig und häufig mit Fruchtsäften vermischt. Der im Coop ist auch nicht schlecht, hat aber nichts mehr mit dem Original zu tun das sie sich jetzt bestellen werden. Bestellen sie sich ein Plain Lassi, süss, aber ohne Eis. Sonst sieht ihr Magen neben den guten Bakterien auch gleich eine Menge der schlechten Bakterien. Denn das Eis wird aus Leitungswasser hergestellt. Was bei uns fast Mineralwasserqualität hat, kann in indischen Grossstädten nur durch die Farbe von Kloakenwasser unterschieden werden. Die Bakterienkonzentration ist in etwa dieselbe. Benutzt wird es trotzdem häufig. Zum Früchtewaschen (deshalb sollen sie auch erstmals auf ein Fruchtlassi verzichten) oder zur Eisherstellung. Das Eis kommt in grossen Blöcken daher, es wird offen durch das ganze Quartier transportiert – mit Eis konsumieren sie also nicht nur viele Kolibaktieren sondern auch eine schöne Menge Strassendreck – um dann ihr Lassi von innen zu kühlen und ihren Magen zu verderben.

Eisverkauf auf offener Strasse

Lassi trinken (ohne Eis) und beten. Viel mehr können sie nicht tun. Beten können sie allerdings zu ziemlich vielen, das ist in Indien schön. Überall hat es einen potentiellen Kraftspender. An jeder Strasse steht irgendwo ein heiliger Baum, ein Minitempel, irgendwo hängen ein paar Girlanden und eine Glocke.

Trotzdem. Beten sie so viel sie wollen. Irgendwann holt sie der Durchfall ein. Denn sie können ja nicht nur in einigen wenigen ausgewählten Restaurants essen. Sie können sich nicht überall die Küche ansehen und den Besitzer kennenlernen. Nein, denn sie sind hier zum reisen. Im Zug, im Bus oder auch mal im Flugzeug. Quer durchs ganze Land, von altem Steinhaufen zu altem Steinhaufen. Überall werden sie Fotos machen, in der Sonne rumlaufen, Enge und Gedränge aushalten, dazu ganz viele Schreie die ihnen je nach Ort eine Riksha (fast überall), einen Führer (bei den grossen Attraktionen), eine Bootstour (in Varanasi), Haschisch (auch Varanasi) und ganz viel nutzlose Souvenirs andrehen wollen. Das alles wird sie ermüden und sie werden etwas essen wollen. Nicht im sichersten Restaurant, sondern im nächsten. Das wird eine Zeitlang gutgehen. Aber eines Tages wird es sie erwischen. Ein ungewaschener Apfel, eine schlechtgekochte Mahlzeit, vielleicht auch nur der Stress der die Fremde ihrem Körper zufügt. Erst wird ihr Magen rumoren und dann werden sie viel Zeit auf dem Klo verbringen. Später im Bett. Blöd nur wenn sie am nächsten Tag gleich weiterreisen wollen. Doch immerhin daran hat ihr Hausarzt gedacht, er hat sie vor ihrer Indienreise mit Immodium ausgestattet. Das hilft zwar nicht gegen die Ursache des Durchfalls, aber immerhin lähmt es den Darm, wenn sie Glück haben kommt also nichts mehr unten raus. Wenn sie Pech haben rumort es dann da drin um so fester und wenn es alles wieder raus kann, geht es noch länger bis es wieder gut ist. Trotzdem: für lange Busfahrten ist Immodium wirklich essentiell.

ors

Und dann? Erst mal werden sie nichts essen, auch gar keinen Hunger haben. Trotzdem sollten sie schnell wieder zu Kräften kommen. Also Reis, Bananen, Cola, Mineralwasser. Wenns dann besser geht, darfs auch etwas Gemüsereis, Joghurt, Brot und Tee sein. Wenns über längere Zeit ganz schlimm ist, dann sollten sie den Salzverlust kompensieren. Elektrolytische Getränke kennt man bei uns nur als Sportlernahrung, in Indien finden sie sie in jeder Apotheke, fragen sie nach O.R.S., es ist billig, gut und gesund. Gewisse Zeitgenossen schreiben O.R.S. auch eine heilende beziehungsweise magenberuhigende Wirkung zu. Nehmen sie es besser früh.

Wenn sie Glück haben ist alles nach drei bis sieben Tagen vorbei und sie können das reisen wieder geniessen. Wenn sie Pech haben waren sie nur für einen Zwei-Wochen-Urlaub hier. Pech haben sie auch wenn es richtig heftige Bauchschmerzen sind, dann besuchen zur Sicherheit mal einen Doktor. Wenn sie Glück haben ist der in ihrem Hotel nur einen Telefonanruf entfernt. Wenn sie dazu noch Fieber haben, müssen sie unbedingt zum Doktor, es könnte ja auch Malaria sein. Sehr wahrscheinlich nehmen sie dann drei, vier Tage Antibiotika, fühlen sich müde oder auch nicht und danach ist ihr Stuhlgang wieder fest und schön und sie fühlen sich fit und munter. Blöd nur, dass mit das Antibiotikum mit all den bösen auch vielen guten Bakterien den Garaus gemacht hat. Mit grösster Wahrscheinlichkeit geht das ganze also in Bälde wieder von vorne los. Dann bleibt ihnen nur noch für den Rest ihrer Reise auf Reis- und Bananenlassidiät zu gehen.

Es muss nicht gleich Antibiotika sein

IspagholZwischen Lassitrinken und Antibiotika gibt es noch eine Reihe nützlicher Helferlein. Zuerstmal weiss jeder Inder dem sie begegnen tausend Speisen die der Verdauung zuträglich sein sollen. Zum Beispiel Fenchelsamen. Die bekommen sie in jedem Restaurant als Atemverbesserer mit der Rechnung, am meisten Wirkung auf ihren Magen haben die wenn sie eine Suppe daraus machen, eine halbe Stunde kochen und trinken. Ispaghol heissen die Samen irgendeiner Pflanze die helfen den Darm zu stopfen und gut für die Magenwände sein sollen. Dann gibt es auch Medikamente die Amöben in ihrem Darm abtöten aber noch keine Antibiotikas sind (z.B. Flagyl oder Lotomil), ob die Wirkung aber weniger zwiespältig ist, sei dahingestellt. Fragen sie ihren Apotheker, der hat alles. Seine Sprache müssen sie nicht sprechen, über den Bauch streichen reicht als Zeichen und sie werden bald irgendein Gegenmittel in den Händen halten.

Wenn bei aller Behandlung immer noch was im Argen ist, ihr Magen rumort es sie aufs Klo drängt, aber es doch nicht so richtig schlimm ist, das aber über Wochen so weitergeht, dann haben sie vielleicht Giardiasis. Ihr Apotheker besitzt wirksame Gegenmittel (Metronidazol, Tinidazol).

Und zum Schluss: Übertreiben sie es nicht mit der Chemie, dann können sie ihre Reise hoffentlich bald wieder geniessen.
Happy travelling!

 

Stichwortsuche

Manchmal erinnert mich Indien an Google. Die analoge Welt erinnert an die digitale. Google gibt man einige Stichworte und es findet einem die relevantesten Internetseiten dazu. Indien lebt schon lange mit einer Stichwortsuche, einer die ohne Strom funktioniert.

Man läuft durch Indien und von allen Seiten werden einem Stichworte zugeworfen: Riksha!, Hotel, Goa, Hasch, Boat, Sleeping bag, Cycleriksha, Kashmere shals, good quality, good price, very cheap. Im Zug dasselbe umgekehrt, man sitzt und das Schauspiel zieht an einem vorbei durch die Gänge, zuerstmal läuft immer ein Cay, Cay, Cay durch die Gänge, manchmal Coffee, Veg Biryani, Snacks, Schlüsselanhänger, Chips, Omelette Toast. Der Verkäufer ruft immer wieder sein Stichwort und wenn dasjenige auftaucht das eine Glocke im Kopf läuten lässt, dann ruft man Stop. Oder repetiert einfach das Stichwort, das funktioniert wunderbar. [1] Dann beginnt eine menschliche Interaktion. Entweder man will das Item gar nicht und der Händler läuft einem 100 Meter weit nach und wiederholt, dass er einem ganz sicher eine tolle Busfahrt nach Goa verkaufen kann und der Tourist wird genervt. Oder man fragt nach dem Preis, beginnt zu verhandeln und endet am Schluss als glücklicher Kunde. Im Zug gehts schneller, die Preise sind fixer, ein Cay fünf Rupees, dafür variert die Grösse. Was solls, der nächste Caywalla kommt bald.

Bei Google kommt am weitesten oben wer am meisten bezahlt – mit farbigem Hintergrund deutlich als Werbung markiert. Der beste kommt drei Links später mit schlichtem Hintergrund. In Indien ist es nicht anders. Zuerst kommen die die am lautesten schreien. Und in der zweiten Reihe kommen diejenigen bei denen die Wahrscheinlichkeit grösser ist, dass sie einem nicht verarschen wollen. Man muss nur bis zu ihnen runterscrollen.


[1] Wenn sie zu zweit unterwegs sind, probieren sies aus: Bauen sie das Stichwort das ihnen gerade zugeworfen wurde in ihre muttersprachliche Diskussion ein ohne aber dem Werber Beachtung zu schenken. Der Händler wird ihnen gleich doppelt so lange nachlaufen. Auch wenn sie sonst keinerlei Anstalten gemacht haben mit ihm zu handeln. Herrlich.