Archive for the ‘Europa’ Category

Zusammenstoss der Kulturen

Eine Gruppe Overlander geht zusammen essen. Man kennt sich nicht so gut, hat sich auf dem Zeltplatz getroffen. Doch alle haben sie gemeinsam, dass sie durch dieselben Länder gereist sind und ähnliche Erlebnisse gemacht haben. Alle können Geschichten von grosser Gastfreundschaft erzählen.

Nach dem Essen kommt die Rechnung. 280 pakistanische Rupien für 6 Personen. Rund 3 Franken, circa 50 Rappen pro Person. Während die einen beginnen zu rechnen wer genau wieviel zu bezahlen hat, lege ich einfach einen 100-Rupien-Schein auf den Teller. Die Lockerheit setzt sich nicht durch, die Erbsenzähler zählen weiter und einer stellt klar, dass er mir noch 25 Rupien schuldet.

Rückblende in die Türkei

Für einen Türken ist es nicht nur selbstverständlich, es ist Pflicht und Ehre seinen Gast vollständig zu umsorgen. Geht man gemeinsam essen kann man zwar versuchen zu bezahlen, aber man sollte nicht hoffen, dass es dann auch klappt. Brüder die gemeinsam essen gehen streiten sich darum wer bezahlen darf, ein liebevolles Ritual. Als Reisender kommt man regelmässig in Genuss dieser Gastfreundschaft. Ich habe nur die wenigsten meiner Tees selber bezahlt. Und wie oft ich zum essen eingeladen wurde, kann ich auch nicht zählen. Da wirkt es beschämend wie abweisend die Einwanderer bei uns manchmal behandelt werden.

In Europa zahlt man getrennt. Ein Ausdruck von Individualität, Selbständigkeit und dem Wunsch möglichst wenig Verpflichtungen zu haben. Füreinander zu zahlen ist Ausdruck einer freundschaftlichen Verpflichtung die für Europäer einengend wirkt. Einengend wirkt es aber nur wenn man immer nachzählt. Verbunden mit Grosszügigkeit ist es befreiend. Und von diesen Grosszügigkeit habe ich hoffentlich etwas gelernt auf meiner Reise. Umso krasser wirkte es auf mich, dass andere da gar nichts gelernt haben.

Ich konnte meinen Bekannten dann zum Glück davon überzeugen, die 25 Rupien zu behalten, sie als Gastfreundschaft zu betrachten und doch ein andermal irgendjemanden einzuladen. Hoffentlich hat er etwas gelernt.

 

Three weeks in Switzerland

When Indian people heard that I am from Switzerland, they often said: “best country in the world” or even worse “paradise”. I could only shrug, as I knew it is not heaven. But there is some truth in this description. I am from one of the most secure countries, from one of the richest countries and all that while it counts as one with very beautiful nature. So I never denied the descriptions. I could tell you here that Switzerland is really heaven or that it is not. Let’s skip that and go directly to my impressions after one year in the east.

My mother drove me home from the airport. The highway was empty, gray, concrete, pot-hole free. A smooth ride with no disruption. But also without anything to look at. There were no animals, no humans, nobody on a bike, bicycle or ox cars. And nobody at the side of the street making fire to keep himself warm.

Which would have been necessary. It was cold. Now it is 15 degree Celsius which counts as warm (spring is coming!), but two weeks ago it was snowing. I saw again how much the climate influences the people.

Everybody has a nice warm house. Or a nice warm appartment. It is just a necessity. You would freeze to death otherwise. That is probably also one reason for our social system. We have to offer housing to the poor, otherwise they die. It looks tough to us to see people sleeping on the street in India. But probably it would be the same here if it would be warm enough all year round.

Swiss people are on time. Everybody knows it. And it is still true. No wonder – who wants to wait in the cold?

Politness and privacy are valued high here. When you enter a local bus on the countryside you say hello when you enter. But for sure nothing more. You don’t start a chat with anyone. Not that it is forbidden. People just don’t know anymore how to do it. There are not many subjects anyway because it could become too private soon.

In India it happened often that someone approached me and we had a smalltalk like the following:
“What is your good name?” – “My name is David.”
“Which your country name?” – “I am from Switzerland.”
“Oh, Swisserland! What is your job?” – “I’m a Software Engineer.” (another ohhh)
“How much you earn?”

It is no problem to ask for the wage in India. I still smile when I think of doing that here. Even good friends don’t talk about their wage. Talking about talking about the wages is already critical. You can do it if you want. But the idea that a stranger asks you in the first little smalltalk how much you earn is so alien to us that I should do it once. And then make a picture of the shocked persons face.

I realized that I am still pretty Swiss. I did not change that much. People started to speak to me on the road in India, but I didn’t approach many people. Okay, it is more difficult when you don’t know how is speaking English and who does not understand a word, so you better rely on the ones approaching you, but still, it is not in my blood to start a smalltalk. I wonder if that privacy thing goes too far sometimes.

I did not have a cultural shock. I really expected one. But now, I am happy that I could just come home and did not have to readjust first. The only thing I felt was this little insecurity. Am I behaving right? Is my behaviour culturally appropriate? Should I behave a little different?

mountain view

The view from last weekend when I went for skiing

 

Haarsache

Hast du dich schon mal gefragt wie ich nach zwei Monaten Velo fahren aussehe?

Hier ist die Antwort:

Zwei Haarschnitte

Natürlich verbinde ich auch mit diesem Bild Geschichten: Der Haarschnitt ist bulgarisch, die Rasur türkisch. Ich habe ziemlich dichtes und dickes Haar, das fahren mit Pelz wurde in Bulgarien immer mehr zu einer heissen Angelegenheit. In einem Restaurant in einer Kleinstadt frage ich die Serviererin wo man sich hier die Haare schneiden lassen könne. Mit zwei Brocken Englisch (mehr waren es sicher nicht!) machte mir ihre Kollegin klar, dass ich die Strasse runter müsse und dann links. Ich sah dort natürlich keinen Coiffeur. Also fragte ich gleich nochmals jemanden. Irgendwann lernt man sich von Strassenecke zu Strassenecke mit Fragen durchzuhangeln bis man das gesuchte gefunden hat. Man deutete über die Strasse wo ich dieses Schaufenster sah:

coiffeur1

Zum Glück wurde in dem schmalen Raum gerade einem jungen Mann der Kopf geschoren, sonst hätte ich wohl noch lange nicht gemerkt, dass die hellblaue Schrift mein Ziel bezeichnete. Als nächstes musste ich herausfinden wie ich reinkomme – die Türe auf dem Foto führt nur in den Laden nebenan. Die Coiffeuse deutete mit dem Arm nach rechts wo ich einen Hauseingang fand, ich nahm mein Velo einfach mit rein – durch einen dunklen Gang und da war was ich suchte. Sogar mit Stuhl zum warten und Zeitschriften. Der junge Mann war schon fast fertig frisiert, ich fragte ihn noch ob er englisch könne und ob er der Dame mittleren Alters vielleicht sagen können, dass ich denselben Schnitt wie er wünsche. Er konnte. Zum Glück!

Meine Haare wurden nicht gewaschen, was ich empfohlen hätte, nach einigen Tagen draussen übernachten waren sie ziemlich fettig. Aber der Haarschneider war kräftig und die Schere gut geschliefen. Und ich war wirklich zufrieden mit dem Haarschnitt! Erstaunlich wie gut es ohne Worte geht! Kostete mich 4 Leva = 3 Schweizer Franken!

In Istanbul gings dann wegen meinem Bart zum Friseur. Ich wollte mich schon immer mal rasieren lassen und es nahm mich wunder wie das hier gemacht wird. Einschaumen, rasieren und dann gings erst richtig los :-) Ich weiss nicht ob es zwei oder drei After-Shave-Cremen waren die ich ins Gesicht geschmiert bekam, die paar eigenwilligen Haare im Nacken kamen auch weg und als der Coiffeur ein paar feine Haare in meinem Ohr sah, nahm er das Feuerzeug hervor, schwenkte es schnell vor meinem Ohr bis die Haare weg waren. So geht das!

 

Ich bin in Istanbul! – I made it to Istanbul!

(English version below)

Ich bin in Istanbul. Und ich habe eine Scheissfreude daran. Ein Etappenziel ist erreicht. Ich bin mit dem Fahrrad bis in die Türkei gefahren. Und ich bin bis nach Asien gefahren. Aber so richtig gemerkt, dass ein neues Kapitel anbricht, habe ich als ich über die Grenze in die Türkei fuhr.

Mh, zwei Wochen nix gepostet… Da häufen sich Erlebnisse an, die lassen sich kaum zählen. Heute gibts mal die Übersicht, später vielleicht mehr.

Bulgarien ist schön, aber ich habe mich als Transittourist gefühlt. Ich wollte es durchqueren und ab in die Türkei. Nachdem ich in mehreren Sprachen “Ja, Nein, Hallo, Tschüss, Danke, Bitte, Entschuldigung” gelernt habe, hatte ich langsam genug von diesen Spielchen und wollte in ein Land in dem ich etwas länger bleibe, ergo auch mehr Zeit für die Sprache habe.

Nach einem kurzen Abstecher nach Griechenland (einmal gut gegessen und an wunderschönem Ort gezeltet) gings ab nach Edirne. Zur Türkei sag ich erstmal nur soviel: Ich hatte geplant bis nach Istanbul zu zelten (naja, so genau ist das ja nie geplant) und von 5 Nächten verbrachte ich 4 unter einem Dach! Die türkische Gastfreundschaft hat mich gleich mal ganz fest umarmt.

Und jetzt Istanbul. Wer hat nochmal gesagt mit dem Fahrrad nach Istanbul zu fahren sei die Hölle? Alles gelogen, es hat mir Spass gemacht. Ok, es war mühsam, der starke Gegenwind vom Meer her hat mir echt zu schaffen gemacht; dazu Sonne und viele Aufs und Abs, Ächz! Natürlich hat es auch ein paar Autos auf der Strasse, aber hey, die hats in Basel auch. Ok, hier ist die Strasse etwas breiter: zwei- bis dreispurig; und es kann schon mal eine zweispurige Zufahrt dazu kommen, das ist dann etwas tricky als Fahrradfahrer. Der Verkehr wird eigentlich erst nach dem Flughafen mühsam, aber von da sind es auch nur noch ein paar Kilometer bis man in der Innenstadt ist. Und plötzlich ist man am Bosporus. Wo all die Schiffe vorbeifahren, die Menschen flanieren, die Minarette in die Höhe zeigen und wo eine Weltmetropole angesiedelt ist.


I made it to Istanbul! I am very happy about that. The first milestone on my trip is reached. I cycled all the way from home to Turkey. And I cycled to Asia. But the milestone for me was the Turkish border, there I really felt the new chapter of the trip beginning.

Bulgaria is beautiful, but I felt like a transit tourist. I just wanted to get through and into Turkey. After I learnt “Yes, No, Hello, Goodbye, Thanks, Please and Excuse me” in several languages, I was tired of that and was looking forward to a longer stay in one country, where I could also learn more of the language.

After one night in Greece (ate good and slept at a lovely spot) I arrived in Edirne, Turkey. About Turkey I am only going to say one thing for now: I planned to camp until Istanbul, but out of 5 nights I spent 4 under a roof! The Turkish hospitality welcomed me with a big hug.

And now Istanbul. Who said driving into Istanbul is like hell? It’s a lie, I enjoyed it. Ok, it was also a struggle, the strong wind from the seaside was a real stress, also the hot sun and a lot of ups and downs. Naturally on a street, there were also some cars, but hey, we also have them at home, so what? Ok, here the street is a bit wider, two to three lanes and sometimes two more lanes are joining, that gets a bit tricky as a cyclist. But the traffic only begins to be a hazzle after the airport and from there it is only a few more kilometers to the city centre. Und suddendly I was at the Bosporus. Where a lot of ships are passing by, people promenade, minarets are pointing up to heaven and where a world metropole is settled. Read the rest of this entry »

 

Rumänien 2

Später sah ich auch etwas mehr hinter die Armut und Resignation hier. In den Kleinstädten gibt es viele Industrieruinen. Scheinbar war hier wirtschaftlich mal was los, wahrscheinlich zu kommunistischen Zeiten. Und seit die Industrie weg ist, gibt es keine Möglichkeiten mehr für die Leute hier. Sie bleiben bei ihren Feldern und Harken und Pferdewagen oder sitzen rum, auch Alkoholismus sei verbreitet. Vielleicht macht das etwas verständlicher wieso die erste Reaktion auf einen reichen Fremden die Bettelei ist. Trotzdem bleibt es für mich befremdlich einen Fremden zuerst einmal anzubetteln solange man selber nicht in einer Notsituation ist.

Ach ja, ich bin euch jetzt eine Stunde voraus. :-) Mit der Grenze zu Rumänien habe ich auch die Grenze zu einer anderen Zeitzone überquert. Es fühlt sich komisch an, ich fuhr doch nur ein paar Kilometer und jetzt ändert sich die Zeit. Es fühlt sich an wie ein erneutes umstellen auf Sommerzeit.

Es ist heiss. Oft nachmittags um die 30 Grad Celsius. Eigentlich sollte man dann am Nachmittag nicht fahren, ich tue es noch, schwitze viel und trinke noch viel mehr. Aber wenn das so weitergeht werde ich bald Siesta halten müssen. Ich wünsche mir einen Tag Regen. Am besten einen an dem ich nicht vorhabe zu fahren.

Die rumänische Währung steht zum Schweizer Franken etwas 2.25:1. Man teilt also grob durch 2 und dann hat man den Preis etwa. Als ich in einem Laden bin, 2,3 kleine Dinge einkaufe und man mir einen Taschenrechner unter die Nase hält auf dem 87 steht, durchfährt mich ein kurzer Schock. Zum Glück weiss ich, dass hier vor ein paar Jahren eine Währungsreform war bei der 4 Nullen gestrichen wurden. Ich denke mir schnell, dass es wahrscheinlich 87000 alte Lei heissen soll und man sich damals wohl angewöhnt hat auf die Tausender-Nullen zu verzichten.  Also 8.7 neue Lei. Puh, ich liege richtig.

In Turnu Magurele will ich die Fähre nach Bulgarien nehmen. Im Städtchen sagt man mir, die gebe es nicht. Das sei nur ein Projekt. Die in Zimnicea ebenfalls. Oh Nein, das ist ein Umweg von mindestens 100 Kilometern. Eigentlich nicht viel, ein zusätzlicher Reisetag, aber ich hab keine Lust auf die Nordkurve via Ruse. Ich verfluche die Leute von bikeline die in ihren Karten Fähren eingezeichnet haben die es auf der Strassenkarte nicht gibt, also wahrscheinlich tatsächlich nicht existieren. In Zimnicea angekommen frage ich nochmals nach der Fähre und man sagt mir sie fahre am Samstag um 10. Juhu, eine Nacht campen und mir den Umweg sparen! Um sicherzugehen frage ich nochmals in einer Bank nach. Ich hoffe dort jemanden anzutreffen der des Englischen kundig ist und mir so vielleicht etwas zuverlässigere Informationen geben kann. Ja, die Fähre fährt um 5. Um 5?! Es ist 10 vor und der Hafen mehr als einen Kilometer weg! Ist trete in die Pedalen und produziere nochmals einen kompletten Schweissfilm auf meiner Haut. Radle ich den richtigen Weg? Ein Hafenarbeiter hält mich an, hier könne ich nicht durch. “Wo gehts denn zur Fähre?” “Neinnein.” Sie beginnen zu diskutieren: “Die Fähre ist doch nur für Fussgänger.” “Ja, aber mit dem Fahrrad.” Ich verstehe genug um zu realisieren, dass da eine Fähre ist und ich wohl auf dem richtigen Weg bin, lasse sie stehen und fahre weiter. Wieder ein paar wilde Hunde vor einem Haus mit einem Kaffee trinkenden Zöllner. Der es ganz gemütlich nimmt. Ja, hier sei ich richtig. Ich sehe keine Fährenanlegestation oder ähnliches, nur ein Geländer und dahinter die Donau. Er lässt mich Schweinegrippepapiere ausfüllen (Nein, ich war nicht in Mexiko. Heiss habe ich, aber Fieber ist das nicht.) und kontrolliert meinen Pass 3x. Danach zeigt er mir eine kleine Treppe die runter zum Wasser führt, der Platz füllt sich mit Hafenarbeitern, um Viertel nach 5 können wir auf die Personenfähre, ui war das ein Ding mein Fahrrad da runter zu bugsieren!  Um halb 6 fahren wir. Juhu, ab nach Bulgarien!

 

Rumänien: In einem Land vor unserer Zeit

Nachdem sich meine Motivationsprobleme in serbischer Gastfreundschaft aulösten und ich eine wunderbare Nacht in der Art Gallery, einem Plätzchen hoch über der Donau verbrachte und dem schönen Donaudurchbruch entlangfuhr (ja, es gibt noch viel zu erzählen…), kam ich nach Rumänien.

In einem Land vor unserer Zeit

Flach – die Hügel sind auf der bulgarischen Seite. Sonnig. Viele kleine Dörfer. Alte Männer die in Gruppen auf den Bänken vor ihren Häusern sitzen. Alte Bauernfrauen mit eingefallenen Gesichtern und Kopftüchern. Man schaut mich oft misstrauisch an. Ich grüsse immer freundlich, hebe die Hand, rufe ‘Salut’, ‘Ciao’ oder ‘Buna’ (Hallo), was dann auch oft erwidert wird. Viele Schlaglöcher. Eine Frau trägt ein Häufchen Abfall auf die Strasse, zündet ein Streichholz und das Häufchen Abfall an. Eine Lehrerin treibt ihre Schüler mit dem Stock ums Schulhaus. Viele Pferdewagen, simple Holzwagen mit Gummipneus auf denen die Leute langsam durch die Landschaft gondeln. Menschen die mit einer Harke ihr Feld bearbeiten. Ich bin ein Alien in einem Land vor unserer Zeit. Auch Handys, Autos und Telefonleitungen. Dafür kein fliessend Wasser, das holt man sich aus dem Ziehbrunnen.

Ein Land der Bettler?

Die erste Nacht verbrachte ich in Turnu-Severin, eine Kleinstadt. Ich gehe am Abend noch raus auf ein Bier, will etwas lokale Luft schnuppern. Auf der Suche nach einem Ort an dem ich mit Einheimischen in Kontakt komme, lasse ich die poshen Restaurants links liegen und lande an einem Ort wo der halbe Liter Bier weniger als einen Euro kostet, dafür werde ich angebettelt von einer Roma. Einen Drink, eine Zigarette, Essen für ihr Kind. Ein junger Mann spricht gut englisch, wir unterhalten uns und er will mir erst Drogen, dann Frauen verkaufen. Das war das erste Mal auf meiner Reise wo ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr einfach überall hin kann. Auch unterwegs werde ich oft angebettelt. Es ist mühsam, ich kam hierher um zu sehen wie die Menschen so sind und bekomme einen schlechten Eindruck.

Ich werde von Polizisten angehalten. Ich müsse aufpassen hier. Die Menschen könnten eine Möglichkeit in mir sehen, nicht alle meinen es gut mit mir. Ah, du campierst wild? (Das ist offiziell verboten, aber das kümmert den Polizisten nicht). Er macht sich Sorgen, dass mich jemand verfolgen und ausrauben könnte, um wilde Hunde und Wildschweine. Die wilden Hunde sind tatsächlich ein Problem. Immer mal wieder werde ich böse angebellt oder verfolgt. Ein Fahrrad weckt natürlich auch ihren Spieltrieb, aber da ich kein Hundekenner bin, mache ich mir schon Sorgen um meine Waden.

Ich halte bei einem Laden um etwas einzukaufen. Draussen sitzen 4 Menschen. Eine Frau macht mir verständlich, dass sie eine Zigarette von mir will. Ein Mann hält mir sein Handy hin und möchte, dass ich es auflade. Manchmal bin ich wirklich froh spreche ich die Sprache nicht, so muss ich mir keine Ausrede suchen wieso ich nichts gebe. Auf der anderen Seite verpasst man so auch den Kontakt zu den netteren Leute die einem ansprechen. Besonders die Kinder sind sehr offen und interessiert. Aber dieses dauernde Gebettel gibt mir den Rest. Ich wollte mir diese neuen EU-Länder mal anschauen und war positiv eingestimmt, aber das hat sich schnell gekehrt.

An einem Tag fahre ich 100 Kilometer, ich kam gut voran - liess auch die meisten Zurufe links liegen - und wollte mir ein Stück Wald suchen um zu campieren. Aber da war einfach kein Wald mehr. Keine Baumgruppe die nicht einsehbar oder hinter einem Sumpf gewesen wäre, kein Feldweg auf dem nicht immer noch Menschen unterwegs waren. Ich wollte wirklich nicht gut sichtbar zelten, also fuhr ich weiter, nochmals 10, 20, 30 Kilometer. Vier zähnefletzende Hunde schiessen aus einer Einfahrt und jagen mich 200 Meter. Ich fahre weiter und weiter. Ich konnte nicht mehr. Am Rand eines Dorfes ist eine Familie ein Haus am bauen, Wände und Dach stehen, sonst ist es noch unfertig. Sie winken und scheinen freundlich. Ich gehe hin und frage ob ich in dem Rohbau übernachten könne. Die Verständigung ist etwas kompliziert, da ich leider kein Rumänisch und kein Italienisch spreche. Sie waren sechs Jahre in Sizilien, scheinbar haben sie dort als Erntehelfer gearbeitet, und mit dem Geld bauen sie sich hier nun ein Haus. Sie sind sehr freundlich, bieten mir zu trinken an und nach zehn Minuten kommt Luci (23, hat schon selber 2 Kinder) auf die Idee, dass ich bei ihnen schlafen könne. Sie machen mir verständlich, dass ich hier in dem Rohbau schlafen könne, oder eine Dusche, Essen und ein Bett haben könne. Waou! Natürlich nehme ich an. Duschen fühlt sich immer grossartig an, speziell wenn man davor mehrere Nächte im Zelt und mehrere Tag auf dem Rad verbrachte. Das Essen bringen sie mir aufs Zimmer und ich schlafe wie ein Stein. Meine Meinung über Rumänien war gemacht, aber was soll ich jetzt noch über die Menschen hier sagen?

 

Bye bye Belgrad

Auf der Fahrt durch Serbien wurde das kyrillische Alphabet immer populärer. Meistens waren die Schilder zweisprachig angeschrieben, was sehr praktisch war, so konnte ich mir einige Buchstaben aneignen und war hier in Belgrad, wo praktisch alles nur noch kyrillisch angeschrieben ist, nicht ganz verloren. Der deutsche Stadtplan der Touristeninformation verwendet für die Strassennamen das lateinische Alphabet, was sehr sinnvoll ist.

Schild mit 2 Alphabeten

Der Regen hat mich doch noch erwischt. Am 29. und 30. April bekam auch ich noch ein paar Tropfen ab, aber wirklich nicht viel. Ein April praktisch ohne Regen. Waou, ich Glückskind!

Auf dem Weg in die Stadt habe ich ziemlich viel Russ geschluckt. Für alle die, die mal ein Auto in den Osten verkauft haben: Ich habe es wiedergesehen! Populär sind hier aber auch Yugos und Zastavas, vor allem die älteren Modelle wirken amüsant. Gefahren wird aber anständig, zumindest mir gegenüber. Die Fahrbahn ist manchmal etwas zu wenig breit und dann höre ich schon mal ein kurzes Hupen das mir klarmacht: Bleib ganz rechts, da will einer vorbei.

Sehr sauberes Auto

Ich weiss nicht was ich von Belgrad erwartet habe, wahrscheinlich dass es irgendwie speziell und faszinierend sein würde. Aber weder noch, es ist nicht mal schön. Belgrad verbinden wir bei uns mit weit weg, Krieg und ähnlichem. Aber es ist nicht fremd,es ist eine europäische Stadt. Natürlich gibt es feine Unterschiede: hier spielt sich das Leben viel mehr auf der Strasse ab, es hat viel mehr Händler die ihre Ware draussen anbieten. Praktisch die ganze Bevölkerung ist orthodox. Hier kann man schon mal einen Typen mit langen vollgegelten Haaren, Plastiklederjacke und krasser Sonnenbrille sehen, der sich vor der Kirche bekreuzigt. Überhaupt, der Kleidungsstil der Menschen hier ist sehr vielfältig, mal könnten es die 80er-Jahre sein, mal die 90er. Und Romas sieht man hier auch mehr. Immer mal wieder bettelnde Kinder.

Ich musste heute einen taffen Entscheid fällen. In welche Richtung geht es weiter? Wie geplant durch Rumänien und Bulgarien? Direkt nach Istanbul via Sofia? Oder schaue ich mir den Kosovo noch an, gehe nach Mazedonien und dann via Griechenland? Keine der Optionen motiviert mich so richtig, ich glaube ich wäre am liebsten schon in der Türkei. Ich werde nun wahrscheinlich meinem ursprünglichen Plan folgen und weiter der Donau folgen.

Wie geht es euch zuhause so? Ich würde mich freuen von euch zu lesen.

 

Kroatien

Nach einer letzten Nacht auf ungarischem Boden (und in Mückenrevier) gings zur kroatischen Grenze. Das erste Mal eine richtige Grenze mit Zöllner und Passkontrolle und allem. Inzwischen muss ich nicht mehr erzählen wohin ich gehe – zu erzählen woher ich komme reicht um die Leute ins Staunen zu bringen. (”Ja, alles mit dem Fahrrad”) Ich übernachtete in Vukovar, eine Stadt die noch wirklich vom Krieg gezeichnet ist. Die Stadt war mal komplett zerschossen, aber langsam, ganz langsam wird sie wiederhergestellt. Es war krass dieses Nebeneinander von Leben und Zerstörung, Wiederaufbau neben Ruinen, zu sehen.

Ich traf auch nette Leute im Ausgang an die zum Teil Deutsch sprachen, der eine konnte es sogar ziemlich gut weil er während den Kriegsjahren in Deutschland zur Schule ging.

Tags darauf ging es weiter nach Serbien. Das war der 2.Mai. Da gab es gleich zwei Dinge zu feiern: Ich war seit genau einem Monat unterwegs und ich fuhr meinen 2000. Kilometer. Jetzt bin ich gerade in Novi Sad. Laut dem Lonely Planet Belgrade on Valium ;-) Morgen gehts nach dann Belgrad.

 

Die ungarische Fliegenhölle

In Budapest wollte ich 2,3 Tage bleiben. Ich fühlte mich danach aber noch überhaupt nicht nach Rad fahren. Also hängte ich noch einen Tag an und genoss ein Bad in einem der berühmten Bäder in Budapest. Es handelt sich um ganz normale Thermalbäder, nichts spezielles, ich verstand das Aufheben nicht. Das Gebäude war aber schön – viel Prunk und Stuck – und das Bad tat gut. Ich genoss den Wellnesstag und fuhr am Mittwoch mit neuem Elan los. Die Fahrt aus Budapest hinaus liess mich verstehen wieso gewisse ungarische Fahrradfahrer eine Atemschutzmaske tragen. Ey, dieser Smog… Nach Pausentagen komme ich immer gut voran. Aber diesmal habe ich noch eine Stufe zugelegt, ich habe gleich 3 Tage am Stück mehr als 100 Kilometer gemacht: 109, 133, 139 km. Das Training macht sich langsam bemerkbar.

Was mich im Süden von Ungarn erwartete, konnte ich aber nicht ahnen: Eine Fliegenhölle. Scheinbar gibt es dort so viele Sumpf- und Modergebiete um die Donau rum, dass sich die Mücken, Fliegen und Moskitos ungehindert vermehren. Oh Mann, diese Wesen, deren einziger Lebenssinn es ist, ein Säugetier zu finden und es auszusaugen… Da der Donauradweg viel auf dem Damm entlang führt ist man diesen Wesen schutzlos ausgeliefert. Apropo Schutz. Dieses krasse Fliegenmittel mit ‘vollständigem Schutz’, vom Schweizerischen Tropeninstitut geprüft, es nützt nicht wirklich viel.

Und für alle die die denken ich übertreibe gibt es hier Fotos, von den Mücken als auch von meinem Rücken:
Noch mehr Fliegen

Rücken

Natürlich gibt es noch mehr Bilder von Ungarn: (vielleicht lassen sie sich einfacher auf der Bilder-Seite ansehen).

 

Drei Hauptstädte in einer Woche sind einfach zuviel

Letztes Wochenende noch in Wien, in einem Tag in Bratislava und dieses Wochenende schon in Budapest. Das soll doch keine Europa-Hauptstädte-Tour sein! Ich fühle mich langsam wie ein Rucksacktourist. Von Stadt zu Stadt, von Hostel zu Hostel. Das coole ist, das ich dazwischen auch die Dörfer erlebe. Aber ich freue mich auch darauf wieder etwas länger am Stück zu fahren. Ich könnte die Städte auch auslassen, aber das wäre ja schade.

Viel zu erzählen gibt es nicht von der letzten Woche. Nach Bratislava ein paar Tage über Land gefahren, mal draussen, mal in einer privaten Unterkunft übernachtet. Immer noch schönes Wetter, das bleibt jetzt wohl für immer so. Wahrscheinlich verschenke ich meinen Regenschutz demnächst ;-)

Einen anderen Radler angetroffen. Stephan fährt der ganzen Donau entlang, wir fuhren einen halben Tag zusammen. Und zwei Tage später trafen wir uns in einem Restaurant wieder, von dort aus fuhren wir gemeinsam bis nach Wien. Er ist gleich alt, hat auch Informatik studiert und steht an einem ähnlichen Punkt im Leben. War cool mit ihm über unsere Leben zu diskutieren.

Der Donauradweg ändert sich stark nach Bratislava, war er vorher ziemlich gut ausgeschildert, sieht man jetzt noch 1-2x pro Tag ein Schild. Schön ist es trotzdem.

Seit Bratislava verstehe ich nix mehr. Hier in Budapest sowieso nicht, da die Ungaren ja eine Sprache haben, die höchstens noch entfernt mit Finnisch verwandt ist. Ich bin ja schon froh ‘Danke’ und ‘Hallo’
sagen zu können. Ich wollte ja immer an Orte wo ich die Sprache nicht kann – und es hat auch seinen Reiz sich nur mit Hand und Fuss verständigen zu können, ich finde es z.B. auch ganz amüsant nicht zu verstehen was auf der Menukarte steht – aber jetzt denke ich es wäre doch besser sie zu können um mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Irgendwann beginne ich mit Türkisch lernen…

Die Sonne, Stephan und ich:
Die Sonne, Stephan und ich
Ein Übernachtungsplatz:
Übernachtung vor Kotsch