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Rumänien: In einem Land vor unserer Zeit

Nachdem sich meine Motivationsprobleme in serbischer Gastfreundschaft aulösten und ich eine wunderbare Nacht in der Art Gallery, einem Plätzchen hoch über der Donau verbrachte und dem schönen Donaudurchbruch entlangfuhr (ja, es gibt noch viel zu erzählen…), kam ich nach Rumänien.

In einem Land vor unserer Zeit

Flach – die Hügel sind auf der bulgarischen Seite. Sonnig. Viele kleine Dörfer. Alte Männer die in Gruppen auf den Bänken vor ihren Häusern sitzen. Alte Bauernfrauen mit eingefallenen Gesichtern und Kopftüchern. Man schaut mich oft misstrauisch an. Ich grüsse immer freundlich, hebe die Hand, rufe ‘Salut’, ‘Ciao’ oder ‘Buna’ (Hallo), was dann auch oft erwidert wird. Viele Schlaglöcher. Eine Frau trägt ein Häufchen Abfall auf die Strasse, zündet ein Streichholz und das Häufchen Abfall an. Eine Lehrerin treibt ihre Schüler mit dem Stock ums Schulhaus. Viele Pferdewagen, simple Holzwagen mit Gummipneus auf denen die Leute langsam durch die Landschaft gondeln. Menschen die mit einer Harke ihr Feld bearbeiten. Ich bin ein Alien in einem Land vor unserer Zeit. Auch Handys, Autos und Telefonleitungen. Dafür kein fliessend Wasser, das holt man sich aus dem Ziehbrunnen.

Ein Land der Bettler?

Die erste Nacht verbrachte ich in Turnu-Severin, eine Kleinstadt. Ich gehe am Abend noch raus auf ein Bier, will etwas lokale Luft schnuppern. Auf der Suche nach einem Ort an dem ich mit Einheimischen in Kontakt komme, lasse ich die poshen Restaurants links liegen und lande an einem Ort wo der halbe Liter Bier weniger als einen Euro kostet, dafür werde ich angebettelt von einer Roma. Einen Drink, eine Zigarette, Essen für ihr Kind. Ein junger Mann spricht gut englisch, wir unterhalten uns und er will mir erst Drogen, dann Frauen verkaufen. Das war das erste Mal auf meiner Reise wo ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr einfach überall hin kann. Auch unterwegs werde ich oft angebettelt. Es ist mühsam, ich kam hierher um zu sehen wie die Menschen so sind und bekomme einen schlechten Eindruck.

Ich werde von Polizisten angehalten. Ich müsse aufpassen hier. Die Menschen könnten eine Möglichkeit in mir sehen, nicht alle meinen es gut mit mir. Ah, du campierst wild? (Das ist offiziell verboten, aber das kümmert den Polizisten nicht). Er macht sich Sorgen, dass mich jemand verfolgen und ausrauben könnte, um wilde Hunde und Wildschweine. Die wilden Hunde sind tatsächlich ein Problem. Immer mal wieder werde ich böse angebellt oder verfolgt. Ein Fahrrad weckt natürlich auch ihren Spieltrieb, aber da ich kein Hundekenner bin, mache ich mir schon Sorgen um meine Waden.

Ich halte bei einem Laden um etwas einzukaufen. Draussen sitzen 4 Menschen. Eine Frau macht mir verständlich, dass sie eine Zigarette von mir will. Ein Mann hält mir sein Handy hin und möchte, dass ich es auflade. Manchmal bin ich wirklich froh spreche ich die Sprache nicht, so muss ich mir keine Ausrede suchen wieso ich nichts gebe. Auf der anderen Seite verpasst man so auch den Kontakt zu den netteren Leute die einem ansprechen. Besonders die Kinder sind sehr offen und interessiert. Aber dieses dauernde Gebettel gibt mir den Rest. Ich wollte mir diese neuen EU-Länder mal anschauen und war positiv eingestimmt, aber das hat sich schnell gekehrt.

An einem Tag fahre ich 100 Kilometer, ich kam gut voran - liess auch die meisten Zurufe links liegen - und wollte mir ein Stück Wald suchen um zu campieren. Aber da war einfach kein Wald mehr. Keine Baumgruppe die nicht einsehbar oder hinter einem Sumpf gewesen wäre, kein Feldweg auf dem nicht immer noch Menschen unterwegs waren. Ich wollte wirklich nicht gut sichtbar zelten, also fuhr ich weiter, nochmals 10, 20, 30 Kilometer. Vier zähnefletzende Hunde schiessen aus einer Einfahrt und jagen mich 200 Meter. Ich fahre weiter und weiter. Ich konnte nicht mehr. Am Rand eines Dorfes ist eine Familie ein Haus am bauen, Wände und Dach stehen, sonst ist es noch unfertig. Sie winken und scheinen freundlich. Ich gehe hin und frage ob ich in dem Rohbau übernachten könne. Die Verständigung ist etwas kompliziert, da ich leider kein Rumänisch und kein Italienisch spreche. Sie waren sechs Jahre in Sizilien, scheinbar haben sie dort als Erntehelfer gearbeitet, und mit dem Geld bauen sie sich hier nun ein Haus. Sie sind sehr freundlich, bieten mir zu trinken an und nach zehn Minuten kommt Luci (23, hat schon selber 2 Kinder) auf die Idee, dass ich bei ihnen schlafen könne. Sie machen mir verständlich, dass ich hier in dem Rohbau schlafen könne, oder eine Dusche, Essen und ein Bett haben könne. Waou! Natürlich nehme ich an. Duschen fühlt sich immer grossartig an, speziell wenn man davor mehrere Nächte im Zelt und mehrere Tag auf dem Rad verbrachte. Das Essen bringen sie mir aufs Zimmer und ich schlafe wie ein Stein. Meine Meinung über Rumänien war gemacht, aber was soll ich jetzt noch über die Menschen hier sagen?

 

Bye bye Belgrad

Auf der Fahrt durch Serbien wurde das kyrillische Alphabet immer populärer. Meistens waren die Schilder zweisprachig angeschrieben, was sehr praktisch war, so konnte ich mir einige Buchstaben aneignen und war hier in Belgrad, wo praktisch alles nur noch kyrillisch angeschrieben ist, nicht ganz verloren. Der deutsche Stadtplan der Touristeninformation verwendet für die Strassennamen das lateinische Alphabet, was sehr sinnvoll ist.

Schild mit 2 Alphabeten

Der Regen hat mich doch noch erwischt. Am 29. und 30. April bekam auch ich noch ein paar Tropfen ab, aber wirklich nicht viel. Ein April praktisch ohne Regen. Waou, ich Glückskind!

Auf dem Weg in die Stadt habe ich ziemlich viel Russ geschluckt. Für alle die, die mal ein Auto in den Osten verkauft haben: Ich habe es wiedergesehen! Populär sind hier aber auch Yugos und Zastavas, vor allem die älteren Modelle wirken amüsant. Gefahren wird aber anständig, zumindest mir gegenüber. Die Fahrbahn ist manchmal etwas zu wenig breit und dann höre ich schon mal ein kurzes Hupen das mir klarmacht: Bleib ganz rechts, da will einer vorbei.

Sehr sauberes Auto

Ich weiss nicht was ich von Belgrad erwartet habe, wahrscheinlich dass es irgendwie speziell und faszinierend sein würde. Aber weder noch, es ist nicht mal schön. Belgrad verbinden wir bei uns mit weit weg, Krieg und ähnlichem. Aber es ist nicht fremd,es ist eine europäische Stadt. Natürlich gibt es feine Unterschiede: hier spielt sich das Leben viel mehr auf der Strasse ab, es hat viel mehr Händler die ihre Ware draussen anbieten. Praktisch die ganze Bevölkerung ist orthodox. Hier kann man schon mal einen Typen mit langen vollgegelten Haaren, Plastiklederjacke und krasser Sonnenbrille sehen, der sich vor der Kirche bekreuzigt. Überhaupt, der Kleidungsstil der Menschen hier ist sehr vielfältig, mal könnten es die 80er-Jahre sein, mal die 90er. Und Romas sieht man hier auch mehr. Immer mal wieder bettelnde Kinder.

Ich musste heute einen taffen Entscheid fällen. In welche Richtung geht es weiter? Wie geplant durch Rumänien und Bulgarien? Direkt nach Istanbul via Sofia? Oder schaue ich mir den Kosovo noch an, gehe nach Mazedonien und dann via Griechenland? Keine der Optionen motiviert mich so richtig, ich glaube ich wäre am liebsten schon in der Türkei. Ich werde nun wahrscheinlich meinem ursprünglichen Plan folgen und weiter der Donau folgen.

Wie geht es euch zuhause so? Ich würde mich freuen von euch zu lesen.

 

FNOK!

Fahre Nie Ohne Karte!
Oder: Radwege in Bayern

Von Augsburg aus ist es nicht mehr weit bis zur Donau. Und die Donau hat einen berühmten Radweg, den Donau-Rad-Wander-Weg. Der ist nicht nur sehr schön, sondern führt auch noch durch viele berühmte Städte: Regensburg, Wien, Bratislava, Budapest, …

Ich wollte in Augsburg noch eine Donau-Radkarte kaufen. Leider war die in der Buchhandlung in der ich war ausverkauft. Nicht so schlimm, es kann ja nicht schwer sein, einem Fluss zu folgen, oder? Und ausserdem ist der Donauweg ja gut beschildert, … Pah, von wegen!

Schon der Lech entlang (von Augsburg zur Donau) fuhr ich regelmässig in Sackgassen wo der Weg plötzlich aufhörte weil von rechts ein Bach kam oder aus dem Weg wurde plötzlich ein Feld. Von Beschilderung keine Spur.

Das war auch im Resten Süddeutschlands so. Erst ein Radwegschild, dass mir die Hoffnung gibt auf einen autofreien Weg zu kommen und dann über Kilometer kein Schild mehr, dafür Verzweigungen, Kreuzungen und alles andere was das verirren einfach macht.

Endlich an der Donau wurde es nicht besser, im Gegenteil. Das es nicht ganz so einfach ist den Weg zu finden liegt unter anderem daran, dass der Radweg nicht immer der Donau folgt, was ja auch ganz sinnvoll, weil abwechslungsreich ist. Aber wer versucht diesen Schildern ohne Karte zu folgen ist aufgeschmissen.

Schild des Donauradweges
Schon alleine die Farben sind eine Katastrophe, grün auf gelb, wer denkt sich so was aus?? Dann der kleine Pfeil. Und dann hat es oft an Kreuzungen an denen es nötig wäre keine Schilder, oft fand ich den richtigen Weg nur mit einem Blick zurück der mir verriet woher der Fahrer aus der Gegenrichtung kommen sollte.

Natürlich werde ich noch viel viel schlimmere Wege sehen, auf vollbefahrenen Strassen fahren müssen etc. Doch irgendwie hätte ich von unsren nördlichen Nachbarn die doch auch als gründlich und genau bekannt sind, eine bessere Radwegbeschilderung erwartet. Eines muss man ihnen zugutehalten: Die breiten und oft seperaten Streifen die Radfahrer zur Verfügung haben sind toll! (Ein Wermutstropfen: Auch diese Streifen führen manchmal in die Irre. Eben noch parallel zur Strasse landet man plötzlich ganz woander. Sehr interessant das alles.)

Dafür hatte ich ansonsten tolle Radlerbedingungen: Wenig Autos, Sonne, nicht zu heiss. Ich campierte am Fluss, sah Sonnenunter- und Mondaufgänge und viele verschiedene Tiere in freier Wildbahn. Zeit zum nachdenken, Velo fahren, das draussen sein geniessen.

Sonnenuntergang an der Donau

Jetzt habe ich eine Karte des nächste Stückes der Donau. Mal sehen wie ich damit zurechtkomme.

Und ich habe mir vorgenommen zuhause mal zu versuchen einem der grossen Schweizer Radwege ohne Karte zu folgen. Nimmt mich wunder wie einfach oder schwer das ist.